Vom 1. bis 3. März 2018 fand an der HfBK Dresden die VDR Fachtagung „3D Durchblick oder Datenmüll? Dreidimensionale Scanverfahren in der Konservierung/Restaurierung“ statt. Die derzeit weltweiten digitalen Erfassungen einzelner Kunstwerke oder ganzer Museumsbestände berühren zunehmend auch unser Berufsfeld. Dies wurde zum Anlass genommen, um zu fragen: Wo liegen ganz konkret die Anwendungsbereiche der dreidimensionalen Scanverfahren in der Konservierung und Restaurierung? Welche Chancen und Möglichkeiten bietet diese Technik für unser Fachgebiet? Wo liegen die ethischen Grenzen im Umgang mit virtuellen Kopien?
Wenn die Welten von Archäologen, Restauratoren, Ingenieuren und Verfahrenstechnikern aufeinandertreffen, dann gibt es für alle Zuhörer etwas zum Staunen, Entdecken und Begreifen. Die Tagung hat gezeigt, wie wichtig Kommunikation in der interdiziplinären Zusammenarbeit ist und wie vielversprechend die Ergebnisse der auf dieser Basis realisierten Projekte.
Den Auftakt der Veranstaltung bildeten die Workshops am 1. März. Alexander Gatzsche, Kerstin Riße und Thomas Hackbeil erläuterten und demonstrierten am Vormittag den 37 Teilnehmern das Structure from Motion Verfahren und die Anwendung von Handscannern. Im Anschluss stellte Workshopleiter Gunnar Siedler und sein Team von der focus GmbH Leipzig die Möglichkeiten der 3D-Kartierung mit Metigo Map vor. Seine vorgestellten Kartierungsgrundlagen aus verschiedenen Projekten der letzten Jahre überzeugten am letzten Veranstaltungstag ebenfalls.
Ein technisches Update bekamen die Teilnehmer von Christian Mulsow, Patrick Lackner und Tobias Reich geboten. Die Vortragenden haben anschaulich und auch für Laien der Verfahrenstechnik verständlich, die verschiedenen Scan-Verfahren vorgestellt sowie Vor-und Nachteile nachvollziehbar erläutert. Heinrich Piening konnte in seinem Vortrag davon überzeugen, dass der Einsatz von digitaler Technik auch handwerkliche Herstellungsprozesse vereinfachen und die Umsetzung schwieriger und kostenintensiver Rekonstruktionen ermöglichen kann. Die Fachkompetenz und Fähigkeit des Handwerks war für den Erfolg der vorgestellten Restaurierungen essentiell. Dieser Erkenntnis schloss sich später Prof. Joerg Maxzins Vortrag zur Restaurierung der Skulptur des Hl. Lukas aus der Münchner Theatinerkirche an.
3D Scans als Arbeitsgrundlage
In den Vorträgen von Miriam Braun und Amandine Colson zu Nassholzfunden aus dem mittelalterlichen Bergbau im Erzgebirge bzw. zur Bremer Kogge beeindruckte die Größe der Objekte aber auch die zeitliche Dimension dieser Konservierungsmaßnahmen. Die Bedeutung, die einem virtuellen Modell in diesem Fachbereich als Arbeitsgrundlage zukommt, wurde vollkommen nachvollziehbar.
Kristina Holl, Max Rahrig und Carolin Heinemann erläuterten die Möglichkeiten des Einsatzes von Streifenlichtscannern beim Monitoring sich verändernder Zustände am Kunstwerk. Ein Thema, das viele Restauratorenkollegen aus unterschiedlichsten Materialgruppen sicherlich bewegt. Die weiteren Ergebnisse bei Versuchen an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zum Einsatz der Shearographie werden sicherlich auf breites Interesse stoßen.
Eine Möglichkeit des Einsatzes von 3D-Scan und -Druck stellte Andreas Rentmeister in einem unterhaltsamen Vortrag zur Rekonstruktion der Felsformationen der Potsdamer Neptungrotte vor, während ein 3D-Felsen en miniature im Auditorium von Hand zu Hand ging. Der Anwendungs-Komplex 3D-Druck könnte in einer Folgeveranstaltung durchaus vertiefend betrachtet werden.
Den Werkprozess im Blick
Theresa Bräunig, Luisa Sàrries Zgonc und Armgard Schrenk haben den Einsatz der Scan-Verfahren an Skulpturen unterschiedlichster Materialien und Epochen aufgezeigt. Von besonderem Interesse sind die Anwendungsmöglichkeiten von virtuellen Modellen bei kunsttechnologischen Fragestellungen und ihrer museumsdidaktischen Vermittlung. Ähnlich im Anwendungsansatz aber ganz anders in der Objektgattung war der Vortrag von Gabriele Wagner zum Schmuck eines hochmittelalterlichen Hacksilberhortfundes und seiner Werkspuren. Die fragilen archäologischen Objekte konnten mit Hilfe eines virtuellen Modells betrachtet und wissenschaftlich ausgewertet werden, was die Originale deutlich schont.
Von kooperativen und wenig kooperativen Materialien
Maria Lörzel, Johanna Lang und Marcel Bernoteit zeigten aktuelle Untersuchungs- und Restaurierungsprojekte an Objekten des Deutschen Hygiene-Museums mit ihren Möglichkeiten und Schwierigkeiten auf. Problematisch sind hier vor allem die optischen Eigenschaften wie Transparenz und Oberflächenglanz der verwendeten Materialien. Die Herstellung der Figuren aus Wachs bzw. transparentem Kunststoff stellt die Ingenieure vor Herausforderungen. Der Entwicklungsbedarf geeigneter Verfahren für diese speziellen transparenten bzw. halbtransparenten Materialien wurde anhand der Vorträge deutlich. Vielleicht muss aber auch akzeptiert werden, dass es Grenzen der Anwendung der Verfahren gibt.
Nur wer sich auskennt kann mitreden!
Neben Anwendungsbeispielen aus dem Römisch Germanischen Nationalmuseum verdeutlichte Guido Heinz auch die Bedeutung der Vermittlung von grundlegendem Wissen zu den Scanverfahren in der Lehre. Auf diesen Punkt verwies auch Alexander Gatzsche. Ohne grundlegendes Verständnis der Verfahren können Restauratoren und Verfahrenstechniker keinen befriedigenden fachlichen Austausch führen. Gerade dieser ist aber für die weitere Entwicklung der Verfahren in unserem speziellen Anwendungsgebiet dringend notwendig.
Fazit
Wie bei allen anderen Untersuchungsmethoden auch, muss im Vorfeld der Anwendung der dreidimensionalen Scan-Verfahren klar sein, welche Fragestellungen das virtuelle dreidimensionale Modell beantworten soll und welche technischen Parameter bedeutsam sind. Wie können generierte Daten genutzt, gespeichert und gesichert werden? Auf die Notwenigkeit und Anwendung von Standards, generell bei Digitalisierungsprozessen, wurde in den Diskussionen hingewiesen.
Datenmüll entsteht bei gedankenloser Massenanwendung – nicht bei gut geplanter interdisziplinärer Zusammenarbeit. Forschungsexperimente mit offenem Ausgang seien hier explizit ausgenommen.
Die ethische Seite kam in den Diskussionen kurz zur Sprache. Wie weit geht man bei der Nutzung der Scan-Verfahren und wann wird die Technik zum Selbstzweck? Die Grenzen verlaufen sicherlich fließend und ein Abwägen ist bei jedem Projekt individuell notwendig. Eine Gefahr für unsere Bemühungen um den Erhalt von Kunst- und Kulturgut konnte weder bei den Vortragenden noch bei den Zuhörern wahrgenommen werden. Die Verbesserung unserer Arbeitsmöglichkeiten stand vielmehr im Mittelpunkt. Ein kritisches Hinterfragen zu Art, Umfang und Nutzen eines dreidimensionalen Scanverfahrens wird dennoch bei jeder Konzeptfindung notwendig sein. Auch in Zukunft nehmen uns technischen Verfahren die Denkarbeit nicht ab.
Ein Bericht von
Monika Kammer, Tino Simon, Kerstin Riße