Im Februar 2015 haben die aktiven Selbständigen/ Freiberufler im VDR das Format “VergabSem” ins Leben gerufen. Aufgrund der großen Nachfrage hat es sich innerhalb der letzten zwei Jahre fest im Fortbildungsprogramm des VDR etabliert.
Das aktuelle Angebot “BasisWissen – Vergaberecht für Berufsanfänger und Einsteiger” fand am 18.2.2017 in den Räumlichkeiten der Bonner Geschäftsstelle des VDR statt und richtete sich an Kollegen, die in Vergabe und Vergaberecht einsteigen möchten.
Ein Bericht von Seminarteilnehmer Ulrich Weidauer, Metallrestaurierung Meerane, Februar 2017:
Als ich vor wenigen Jahren als Neugründer meines Unternehmens begann, mich an Ausschreibungen zu beteiligen, kamen ca. die ersten fünf postwendend zurück. Ich war ärgerlich und auch wütend über mich selbst, denn die Ausschlüsse vom Wettbewerb hatten allesamt reine Formfehler als Ursache. Das Ergebnis tagelanger bis hin zu einer Woche reichender Arbeit war plötzlich umsonst, wegen fehlender Zahlen, nicht existierender Unterschriften, vergessener Formblätter und Nachweise. Die schmerzlichen Verfehlungen ließen mich jedoch langsam in das Vergabeverfahren hineinwachsen, und ich machte mir Gedanken, warum denn der Wettbewerb eigentlich so kompliziert und mit zig Formblättern untermauert ablaufen muss. Denn manchmal unterliefen auch den Vergabestellen Fehler, die ich gleich im Formular korrigierte, und natürlich flog ich dann wieder hinaus.
Ich erhoffte mir vom Seminar über das Vergaberecht Antworten auf Fragen wie: Was steckt eigentlich hinter dem Verfahren? Wann handele ich nicht mehr im Rahmen des Gesetzes? Was passiert bei Fehlern? Wie akzeptiere ich diese und bleibe trotzdem handlungsfähig?
Schon der Vortrag des diplomierten Verwaltungsfachwirtes Hans Schaller gab einige Antworten, indem er auf den Rechtsraum hinwies, der sich mit dem Vergaberecht für Auftraggeber und Auftragnehmer eröffnet, denn beide sind durch das Rechtswerk an die Regeln gebunden. Er führte locker und mit teilweisem Rollenspiel und großem Weitblick durch die Begrifflichkeiten und den Formblatt-Wust. Für mich besonders interessant war der Verweis auf das Vergabehandbuch des Bundes, in welchem die Struktur der Formulare vor, während und nach einer Ausschreibung erkennbar wird. Zuständigkeiten und Wertgrenzen wurden durch das Regelwerk hindurch deutlicher. Die Zeit war zu kurz, ich hätte mir hier mehr Informationen z.B. zum Preisermittlungsblatt gewünscht.
Anschließend gab Dirk Sturmfels einen Überblick über die digitale Welt der Ausschreibungen, besser bekannt unter „E-Vergabe“. Herr Sturmfels erläuterte das Ausfüllen in vorgegeben Masken, informierte über ausschreibende Stellen im Netz und stellte die Auswirkungen existierender unterschiedlicher Plattformen vor. Hier war die erfreuliche Tendenz zur Vereinfachung des Benutzens der Oberfläche und des elektronischen Verfahrens zu erkennen. Eine spezielle Hardware, wie Kartenlesegeräte für elektronische Signaturen und dergleichen braucht es nicht mehr, es werden z.B. auch eingescannte Unterschriften akzeptiert. Bis spätestens 2020 will die öffentliche Hand völlig auf digitale Bearbeitung der Ausschreibungsunterlagen umsteigen, wir sind gespannt, wie und ob das gelingt.
Im Anschluss konfrontierte Eberhard Roller die Teilnehmer mit Beispielen aus der Berufspraxis. Er stellte typische Aufträge und auch die Art und Weise vor, wie solche zustande kommen. Dabei präsentierte er einige Stolperfallen, die er zur Diskussion stellte. Diese entwickelte sich auch unter den Teilnehmern über die Preisgestaltung für Restaurierungsleistungen, und wieder wurde deutlich, dass es eine Honorarordnung, ähnlich den Architekten und Ingenieuren, im Restaurierungsbereich (leider) nicht gibt. Mit besonderem Interesse verfolgte ich den Spezialfall „Entwicklung eines Leistungsverzeichnisses“ und dessen spätere (in Unkenntnis) missbräuchliche Benutzung. Ein Fall, der jeden Restaurator, nicht nur in der Denkmalpflege, treffen kann.
Zum Abschluss sprach Dr. Heike Glahs, juristische Dozentin im Vergaberecht, über den Rechtsrahmen und dessen mögliche Verletzungen im Bauvergaberecht und über geltende Vorschriften ober- und unterhalb der EU-Schwellenwerte. Ihre vorgestellten Beispiele aus der juristischen Praxis zwischen Angebotsabgabe und Zuschlag waren Alltäglichkeiten, auch hier wieder ein starker Realitätsbezug. Dennoch wurde deutlich: Da sowohl auf Auftragnehmer- als auch auf Auftraggeberseite Menschen aus Fleisch und Blut agieren, ist das Vorkommen von Fehlern schon mal vorprogrammiert. Aber auch die Tatsache, dass solche Fehler erst dann zu einem Problem von Bedeutung werden, wenn sich beide Parteien vor Gericht sehen. Oder anders: Wo kein Kläger, da ist auch kein Richter.
Weiterhin informierte Frau Dr. Glahs, wie auch schon Herr Schaller am Beginn über die Unterschiede im Wettbewerb, speziell eingehend auf VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) und VOL/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Dienstleistungen und Lieferungen, künftig: Unterschwellenvergabeordnung UVgO).
Das sehr dichte und informative Seminar konnte bei mir Ängste abbauen. Durch die Kenntnis von Organisationsstrukturen und Informationsplattformen (wo sehe ich nach?) wurde der „Berg Vergaberecht“ kleiner und durchsichtiger. Es gab Hinweise und Tipps zu einzelnen Vergabearten, der Freien Mitarbeiterschaft (auch das betrifft viele von uns), Rahmenbedingungen. Es führte dabei in die Thematik ein und wartete mit hilfreichen Einzelbeispielen auf.
Natürlich ersetzt ein Seminar, auch dieses nicht, komplett die Gefahr der eigenen Fehler während der Ausschreibungsbeteiligung. Jedoch stellte ich fest, dass auch andere Kollegen, die ihr Unternehmen seit vielen Jahrzehnten leiten, dereinst mit ähnlichen Schnitzern begannen. Dies beruhigt etwas. Zudem finde ich persönlich, dass man schon mal einige Ausschreibungen mitgemacht haben sollte, um rauszukriegen, wo man Schwierigkeiten hat. Aber auch wer noch nie als Bieter in Erscheinung trat, hat von den Vorträgen viel mitnehmen können, und sei es nur den Mut, es auch zu versuchen. Wer die Hintergründe kennt, trifft bessere Entscheidungen. Meine Fragen wurden beantwortet, teils aus den Referaten heraus, teils im Dialog. Der praktische Nutzen des von der Interessengruppe Selbständige und Freiberufler im VDR vorzüglich organisierten Seminars (ebenso schmeckte auch die Tomatensuppe am Mittag), ist greifbar und direkt anwendbar. Eine Fortsetzung des Seminars, dann an Fortgeschrittene gerichtet, folgt im nächsten Jahr.