Nachbericht zum VDR-Seminar „Honorare vertreten und verhandeln“ am 25. und 26.06.2022 in der Speicherstadt Hamburg
Veranstaltet von der Interessengruppe Selbstständige Freiberufler des VDR wurde das zum zweiten Mal stattfindende Seminar vom Denkmalschutzamt Hamburg durch die kostenfreie Nutzung der Räumlichkeiten unterstützt. Eine sympathische Gruppe aus 16 freiberuflich selbstständigen Restaurator:innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen und einer Studierenden ist an besagtem Wochenende im wunderschönen Speicher für Restaurierung und Kommunikation des Denkmalschutzamtes in Hamburg am Kehrwiedersteg zusammengekommen. Angereist ist die Runde u. a. aus Berlin, Köln, München, Mannheim, Leipzig, Sachsen-Anhalt und natürlich Hamburg, um Techniken des Verhandelns und der Kommunikation mit verschiedensten Auftraggeber:innen zu lernen und zu verbessern.
Aktiver Einstieg ins Thema
Rechtsanwältin und Mediatorin Hildegard Hesselmann, die den Seminarinhalt konzipiert und angeleitet hat, bat die Teilnehmenden nach einer knappen Vorstellungsrunde zum Einstieg für sich zu notieren, welches Selbstbild sie in Verhandlungen haben und wie sie glauben, auf ihr Gegenüber zu wirken. Die tatsächliche Wirkung auf Andere wurde im Anschluss in einer spannenden Gruppenübung abgefragt: Wie beim Speeddating sollten sich Zweierpaare gegenseitig in kurzen Zwiegesprächen in einer beliebigen Verhandlungssituation um Geld einschätzen. Es wurde so lange rotiert, bis alle Teilnehmer:innen sich gesprochen hatten. Eine für alle herausfordernde Situation – man kannte sich großteils ja nicht – bei der Ehrlichkeit und Taktgefühl gefragt waren. Ein wunderbarer Icebreaker und wichtiger Beitrag zur hervorragenden Gruppendynamik. Die folgende Feedbackrunde zur Übung zeigte, dass in Verhandlungen gilt: Wie wirke ich. Nicht: Wie bin ich.
Schwieriges Verhandlungsumfeld
Anschließend wurden Erfahrungen zur Verhandlungskultur in unserer Branche ausgetauscht. Das Umfeld, in dem wir verhandeln, ist in vielerlei Hinsicht schwierig. Budgets sind nicht im Überfluss vorhanden oder werden nicht offen kommuniziert, die Restaurierung ist bei Baumaßnahmen oft das letzte Gewerk, das gerne schonmal mit Restbudgets vorlieb nehmen soll. Restaurierungen werden mitunter auch als verzichtbarer Luxus, lästige Pflicht oder schönes Hobby gewertet. Einheitlich beklagt wurde, dass in Deutschland oft das billigste Angebot als das „wirtschaftlichste“, aber nicht immer auch das qualifizierteste, den Zuschlag für öffentliche Ausschreibungen bekommt. Eine weitere Hürde für faire Verhandlungen sind, von öffentlichen Auftraggeber:innen teilweise vorab zu niedrig festgelegte/budgetierte Honorare.
Blick nach vorn – was kann man tun?
Gründe genug, gemeinsam gute Argumente zu sammeln, um die eigenen Interessen bei Verhandlungen mit Auftaggeber:innen und Kolleg:innen zu vertreten. Denn nur wem es gelingt, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, kann den Beruf dauerhaft und mit Erfolg ausüben. Besonders interessant: Gerade jüngere Frauen sind öfter dazu bereit, die eigenen monetären Verhandlungsziele zugunsten des zwischenmenschlichen Verhältnisses – etwa zum*r Auftraggeber:in – zurückzustellen. Ein klassischer Fall von „lose-to-win“: nachgeben bei den Sachinteressen, um eine gute Beziehung aufrecht zu erhalten.
Um solche und andere Verhandlungsinteressen zu erkennen und verschiedene Verhandlungsebenen richtig einzuschätzen, war das theoretische Fundament hilfreich. Es wurde in kurzen Blöcken anhand von anschaulichen Grafiken erklärt und während des gesamten Seminars in Rollenspielen und realen Praxisbeispielen der Teilnehmenden intensiv angewendet. Das Nachspielen einer schwierigen Verhandlung zeigte, dass auch in scheinbar sachlichen, faktenbasierten Situationen Konflikte auf anderen Ebenen, häufig der persönlichen, nicht immer leicht erkennbar sind. Die Erkenntnis ist aber umso wichtiger, da die Lösung des Konflikts in der Regel nur auf der Ebene stattfinden kann, auf der er auch entstanden ist. Es wurde auch geübt, verschiedene Persönlichkeitstypen zu erkennen, um auf unterschiedliche Verhandlungspartner:innen – von Diven, Macher:innen bis zu Erbsenzähler:innen – richtig einzugehen.
Besonders hilfreiches Rüstzeug für die Zukunft ist die Vorbereitung einer klassischen Verhandlungssituation. Nicht minder wichtig zeigte sich aber auch das Erarbeiten von Alternativen. Wer seine Alternativen kennt und vor Augen hat, verhandelt mitunter aus einem größeren Gefühl der Sicherheit und kennt seine Grenzen.
Schlagfertig und offen
Krönender Abschluss des Seminars war eine Schlagfertigkeitsübung, bei der uns die sehr gut vorbereitete und kompetente Dozentin genüsslich mit kleinen Gemeinheiten und größeren Unverschämtheiten piesackte, die die Teilnehmer:innen anhand von drei einfachen Techniken parieren konnten. Bemerkenswert war, dass sich die hilfsbereite und empathische Gruppe in aller Offenheit über eines der sonst am besten gehüteten Geheimnisse austauschte: die konkreten, eigenen Honorare und Stundensätze. Hierfür ein besonderer Dank an unsere sensible Dozentin Hildegard Hesselmann, die dem fachlichen, oft durchaus persönlichen Austausch unter den Teilnehmer:innen stets angemessen Platz einräumte und mit humorvoller und offener Art maßgeblich den geschützten Raum ermöglichte, der für solche Gespräche zwingend nötig ist. Die Offenheit über die Honorare wurde von den Teilnehmenden als absolut wertvoll und hilfreich empfunden und zeigte, wie wichtig und bestärkend der konkrete Austausch und die Einordnung ins Umfeld sind.
Fazit
Alles in allem vermittelte das Seminar neben dem ganz praktischen Werkzeug eine neugierige, fast spielerische Herangehensweise an kommende Konflikte und Verhandlungen. Es gibt unheimlich viel an sich selbst zu entdecken und auszuprobieren. Nicht die Manipulation oder Überzeugung der Verhandlungspartner:innen stand im Fokus, sondern die Selbstreflexion und das Erkennen von bestimmten Mustern und Verläufen. Manchen Teilnehmenden wurden so während des Seminars auch vergangene, schwierige Situationen klar.
Wie so häufig waren auch bei diesem Seminar die (Mittags-)Pausen im mit passender Verhandlungs-Literatur ausgelegten Pausenraum, beim Italiener oder mit einfachem Fischbrötchen an der Elbe eine tolle Bereicherung und boten nochmals Platz für den persönlichen Austausch untereinander. So gingen die Teilnehmer:innen am Sonntagnachmittag, nach einer letzten Feedbackrunde und viel Lob und Dank an die Referentin Hildegard Hesselmann sowie die Organisatorinnen Maja Rinck (tatkräftige Hilfe und Organisation vor Ort) und Verena Ebel (IGSF-Sprecherinnnen-Team) motiviert, inspiriert und selbstbewusst nach einem wertvollen Wochenende auseinander.
Berlin und Köln, Juli 2022
Katharina Haider und Verena Ebel