Mut zur Selbstständigkeit – das 5. Gründer:innenseminar des VDR

Das Selbstbewusstsein stärken und Angst vor der Selbstständigkeit verlieren – das sind, kurz gesagt, die Ziele des VDR-Existenzgründer:innenseminars. Keine leichte Aufgabe, denn schließlich kommt jede:r Gründer:in mit unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen […]

Das Selbstbewusstsein stärken und Angst vor der Selbstständigkeit verlieren – das sind, kurz gesagt, die Ziele des VDR-Existenzgründer:innenseminars. Keine leichte Aufgabe, denn schließlich kommt jede:r Gründer:in mit unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen und Erwartungen in ein solches Seminar. Zugleich beschäftigen Restaurator:innen, die mit dem Gedanken einer Selbstständigkeit spielen, sehr oft ähnliche Fragen und Probleme. Diese Themen zu behandeln, zugleich allgemeines Basiswissen zu vermitteln und die Gelegenheit für individuelle Fragen zu geben – dafür wurde das Gründer:innenseminar entwickelt.

Ausrichter der fünften Ausgabe, die am 18. und 19. März 2023 in Dresden stattfand, war wie immer die Interessengruppe Selbstständige Freiberufler im VDR. Das Orga-Team hatte ein bestens organisiertes Wochenende voller Vorträge, Workshops, Fragerunden und Netzwerkmöglichkeiten in den Räumen der Hochschule für Bildende Künste zusammengestellt. Unter den überwiegend weiblichen Teilnehmer:innen waren junge Hochschulabsolvent:innen auf der Suche nach beruflichen Möglichkeiten, angestellte Restaurator:innen mit dem Wunsch nach Veränderung und berufserfahrene Restaurator:innen, die über eine Neuorientierung nachdenken.

Persönliche Voraussetzungen

Im ersten Vortragsblock beschäftigten sich die Redner:innen mit grundsätzlichen Themen und persönlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit einer Selbstständigkeit. Salome Hohlfeld sprach darüber, wie wichtig es ist, sich mit der eigenen Motivation für eine Gründung zu beschäftigen. Gründe ich aus der Not heraus, oder aus Überzeugung? Kenne ich meine Stärken und Schwächen? Sich ehrlich mit diesen Fragen zu beschäftigen und dann in die Offensive zu gehen, ist ihr Ratschlag: „Versteckt euch nicht!“

Als nächstes sprach Tatjana Held (in Vertretung der erkrankten Caroline Weiss) über die wichtigen Soft Skills, die man als Selbstständige:r benötigt. Auch hier ging es um Selbstkenntnis, etwa bei der Frage, wie stark bestimmte Persönlichkeitsmerkmale ausgeprägt sind. Sehr bekannt ist das Big-Five-Modell, das die Ausprägung von fünf Hauptfaktoren der Persönlichkeit misst: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Die persönlichen Kompetenzen erweitern, um in der Kommunikation mit der Kundschaft klarer zu werden – und in Verhandlungen die eigenen Interessen gut zu vertreten – ist immer lohnenswert.

Das Angebot zum Auftrag

Eberhard Roller befasste sich in seinem Vortrag mit den „Risiken und Nebenwirkungen des Restaurierungsauftrages“. Er gab Beispiele dafür, wie Angebote aussehen und wie sich diese je nach Auftraggeber – z.B. privat, großes Museum, nach VOB – unterscheiden können. Ein mehr oder weniger umfangreiches Leistungsverzeichnis ist möglicherweise Teil des Angebotes und kann sogar urheberrechtlich geschützt sein. Der im Angebot angegebene Stundensatz, das betonte Roller, sei nicht verhandelbar: „Es ist extrem unprofessionell mit dem Stundensatz herunter zu gehen, wenn dem Kunden der angebotene Preis zu hoch ist. Man bespricht stattdessen, welche Leistungen man möglicherweise weglassen kann, damit es günstiger wird.“

Denkmalämter als Auftraggeber

Nach der Mittagspause – mit vorzüglichem Catering – erzählte Christine Kelm vom Landesdenkmalamt Sachsen den Restaurator:innen, was Denkmalämter als potenzielle Auftraggeber voraussetzen: „Wir erwarten gute und effiziente Arbeit und ein Konzept mit Augenmaß“. Für die Aufträge gebe es meist finanziell festgesetzte Rahmen und so sollten die Restaurator:innen sich immer fragen, ob die angebotenen Maßnahmen tatsächlich denkmalpflegerisch notwendig seien. In ihrem Überblick zum Aufbau der Denkmalpflege in Deutschland sprach Christine Kelm auch die Unterschiede in den Aufgaben und Befugnissen der  Denkmalschutzgesetze und Landesdenkmalämter an. „Für mich besteht ein Großteil der Arbeit tatsächlich in der Beratung vor Ort, die ich mit freien Kolleg:innen durchführe. Suchen und halten Sie den Kontakt und bleiben Sie im Gespräch“, riet sie den Gründer:innen.

Welche Unternehmensform wähle ich?

Im folgenden Vortrag gab Susanne Welther einen Überblick über die Organisation und Vertragsformen der freiberuflichen Selbstständigkeit. Sie stellte die Unternehmensformen, sowie deren Vor- und Nachteile vor: Einzelunternehmen (solo-selbstständig), Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit verschiedenen Modellen und auch die Partnerschaftsgesellschaft (PartG), die den Zusammenschluss von Freiberuflern möglich macht.

Soziale Absicherung

Anschließend ging es um das Thema der sozialen Absicherung, das von Linda Schäfer-Krause vorgestellt wurde. Sie gab einen Überblick:

  • Kranken- und Pflegeversicherung (privat oder gesetzlich),
  • Berufsunfähigkeitsversicherung,
  • Berufsunfallversicherung (privat oder gesetzlich),
  • Arbeitslosenversicherung,
  • Altersvorsorge (privat oder gesetzlich)
  • Rücklagen bilden/Notgroschen (3 Monatsgehälter)

Für die gesetzliche Krankenversicherung erhielten die Restaurator:innen den wichtigen Tipp, eine Krankentagegeldversicherung mit abzuschließen, vor allem, wenn die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist. Denn nur wenn Krankentagegeld in der Versicherung eingeschlossen ist (das ist nicht automatisch der Fall), gibt es Mutterschaftsgeld. Was die Altersvorsorge betrifft, so plädierte Linda Schäfer-Krause dafür, sich so früh wie möglich mit diesem Thema zu beschäftigen und private Vorsorge zu treffen. Dazu gehört, Versicherungsmöglichkeiten kennenzulernen, eventuell Beträge (auch kleine) zurückzulegen und Kosten für die soziale Absicherung im Stundenlohn zu berücksichtigen. Beraten lassen kann man sich bei den Verbraucherzentralen, Versicherungsberatern und bei der deutschen Rentenversicherung. Für VDR-Mitglieder gibt es außerdem eine Unterseite im Mitgliederbereich von www.restauratoren.de mit vielen Informationen und einem ausführlichen FAQ.

Versicherungen für Restaurator:innen

Den Versicherungsdschungel für Restaurator:innen erklärte dann Franz Heinemann von der Artekuranz GmbH  Co. KG, die auf Kunstversicherungen spezialisiert ist. Er stellte u.a. die wichtigsten Versicherungen vor:

  • Versicherungsschutz für die eigene Werkstatt
  • Versicherung für die in Obhut genommenen Kunstwerke
  • Haftpflichtversicherung für Restaurator:innen
  • Betriebsunterbrechungsversicherung

Anmerkung: Auch zu diesem Thema hat der VDR Informationen zusammengestellt, die im Mitgliederbereich von www.restauratoren.de unter „Betriebswirtschaftliche Infos“ nachgelesen werden können. In Folge 7 der Serie „Mit Kalkül“ stellt der VDR „Versicherungen für selbstständige Restauratoren“ mit einer Auswahl von unverbindlichen Versicherungsangeboten der VDR-Fachpartner vor.

Nach dieser Vortragsrunde ging es am Nachmittag für alle Teilnehmer:innen in die unterschiedlichen Workshops zu den Themen: Richtig kalkulieren, Werkstattgründung und Wie man Kunden und Aufträge gewinnt. Jeder der Workshops wurde, an diesem und am folgenden Tag, insgesamt drei Mal angeboten, so dass jede:r Teilnehmer:in jeden Workshop besuchen konnte. Der Abend des ersten Tages klang in einem Get-Together im Bio-Restaurant Green & Gloria bei verschiedenen Bowl-Kreationen und guten Gesprächen aus.

Workshop: Richtig kalkulieren

Unter dem Motto „Restaurierung ist kalkulierbar“ stellte VDR-Präsident Sven Taubert die wichtigsten Regeln der Kalkulation vor. Die Frage heißt: Wie legt man den Stundensatz im Spannungsfeld der Preisvorstellung des Kunden, dem Konkurrenzpreis und den eigenen Kosten fest?

  • Die Einnahmen müssen höher sein als die Ausgaben. (Ist nicht so selbstverständlich wie es klingt, denn vielfach heißt es noch „Hauptsache Arbeit“.)
  • Das Gehalt darf nicht unter dem Durchschnittsgehalt eines Angestellten liegen.
  • Kosten für Sozialversicherung (19,3%) müssen berücksichtigt werden.
  • Tatsächliche Arbeitstage sowie produktive und unproduktive Zeiten/Stunden ermitteln. Steuerrücklage und Gewinn nicht vergessen.

„Begehen Sie nicht den Fehler, Ihre Kosten zu rechtfertigen. Stellen Sie stattdessen den Kundennutzen überzeugend dar“, betonte Sven Taubert. Auch hier wurde, wie mehrfach im Seminar, vor Dumpingpreisen und Selbstausbeutung gewarnt. Damit schadet man nicht nur sich selbst, denn von extrem niedrigen Honoraren lässt es sich nicht auskömmlich leben, sondern auch dem gesamten Berufsstand. Realistische Stundensätze liegen derzeit bei 50-65 Euro. Darunter sollte man nicht gehen.

Workshop: Die eigene Werkstatt

Zum Thema Werkstattgründung hatten sich Manuela Prechtel und Linda Schäfer-Krause vorbereitet. Sie sprachen darüber, wie man den richtigen Standort bestimmt und welche Voraussetzungen für die Räumlichkeiten wichtig sein können. Sind Erreichbarkeit, ebenerdige Anlieferung, klimatische Bedingungen und Sicherheit wichtig? Müssen die Geräte für eine Ateliereinrichtung alle gekauft oder können auch Geräte angemietet werden? Hier kann sich ein Besuch der Messen denkmal in Leipzig und exponatec in Köln lohnen, da man dort oft Anschaffungen zu günstigen Messepreisen machen kann.

Workshop: Auftragsakquise

Im dritten Workshop sprach Salome Hohlfeld über den wirksamen Auftritt des eigenen Unternehmens und die erfolgreiche Akquise von Aufträgen. Hier ging es um Firmenname und Logo, Visitenkarte und Website, Briefpapier und Social Media. Man sollte, entsprechend der eigenen Kapazitäten, durch möglichst viele Kanäle auf sich aufmerksam machen. So könne man sich zum Beispiel persönlich vorstellen, Vorträge halten, Messen besuchen, Artikel schreiben, Weihnachtskarten verschicken, auf Social Media posten und beim Europäischen Tag der Restaurierung mitmachen. „Wichtig ist, dass Sie bei alldem den Konkurrenzgedanken nicht zu groß werden lassen. Laden Sie doch stattdessen die Kollegin auf einen Kaffee in Ihre Werkstatt ein.“

Fragerunde und Mentor:innenlunch

Beim vorletzten Programmpunkt, der wieder im Plenum stattfand, hieß es dann: „Ich hätte da mal eine Frage …“. Die drei selbstständigen Restauratorinnen Rebecca Rothe, Anja Romanowski und Monique Heinrich hatten sich zu einer Interviewrunde zusammengefunden, um Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen – auch aus dem Publikum – zu beantworten. Ein Thema, das in dieser Runde und auch während des gesamten Seminars immer wieder auftauchte, war die Vereinbarkeit von Familie/Kind und Selbstständigkeit. Gibt es einen richtigen Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen, eventuell schon während des Studiums? Wie kann mir eine Unternehmensgründung als Alleinerziehende gelingen? Was muss ich in der Schwangerschaft beim Arbeitsschutz beachten? Bekomme ich als Selbstständige Kinderkrankengeld? Einige dieser Fragen konnten schnell geklärt, andere müssen individuell beantwortet werden. Entscheidend aus Sicht der Veranstalter:innen war jedoch, dass diese und andere persönliche Fragen, neben den rein sachlichen Themen, zur Sprache kommen konnten. Nur so kann der Austausch in Gang kommen. Das zeigte sich auch beim Mentor:innenlunch am Ende des Seminars. An mehreren Tischen wurde während des Mittagessens zwanglos geplaudert, intensiv diskutiert oder Kontaktdaten ausgetauscht. Das Netzwerk ist gewachsen.

Im Orga-Team des Seminars waren: Mara Emprechtinger, Tatjana Held, Fabian Neisskenwirth, Manuela Prechtel, Linda Schäfer-Krause und Eike Stöcker.

Link zur Webseite der Interessengruppe Selbstständige Freiberufler im VDR

Bericht
von Gudrun von Schoenebeck für die VDR-Online-Redaktion