Kartoffelbrei, Tomatensuppe und Sekundenkleber. Ein Statement der Restaurator:innen zu den Aktionen der Klimaaktivisten

Aus aktuellem Anlass möchten wir als Verband der Restauratoren (VDR) Stellung beziehen zu den Aktionen der Klimaaktivisten in mehreren Museen – angefangen bei den Klebeaktionen über das Bewerfen mit Sahnetorte […]

Aus aktuellem Anlass möchten wir als Verband der Restauratoren (VDR) Stellung beziehen zu den Aktionen der Klimaaktivisten in mehreren Museen – angefangen bei den Klebeaktionen über das Bewerfen mit Sahnetorte bis hin zu Attacken mit Tomatensuppe und Kartoffelbrei auf berühmte Werke von Da Vinci, Van Gogh und Monet.

 

Im Museum Barberini in Potsdam warfen zwei Aktivisten Kartoffelbrei auf ein Gemälde von Monet. © Letzte Generation
Im Museum Barberini in Potsdam warfen zwei Aktivisten Kartoffelbrei auf ein Gemälde von Monet. © Letzte Generation

Die Attacken auf Kunstwerke sind grundsätzlich der falsche Weg. Die Schönheit unserer Welt ist nicht zu bewahren, indem schöne Kunstwerke angegriffen werden. Das geht auf Kosten unseres Kulturgutes, das ebenso schützenswert ist wie unsere Umwelt.

Als Berufsgruppe der Restauratorinnen und Restauratoren ist es unsere Hauptaufgabe Kulturgüter zu schützen und vor Schäden sowie Zerfall zu bewahren. Nachhaltiges Handeln steckt hierbei in der DNA unseres Berufs, indem wir Ressourcen schonen, Altes bewahren statt es wegzuwerfen und uns durchaus aktiv mit dem Klimawandel, seinen Folgen und klimaschützenden Maßnahmen befassen.

Vor diesem Hintergrund möchten wir an die Klimaaktivisten und auch die Museen appellieren, andere Wege zu finden, um auf das gemeinsame Ziel des Klimaschutzes aufmerksam zu machen, zum Beispiel indem man die öffentlichkeitswirksame Plattform der Museen nutzt und den Klimawandel in  Ausstellungen, Diskussionsrunden und durch ähnliche Aktionen thematisiert.

Als Restauratorinnen und Restauratoren sehen wir bereits seit Jahrzehnten, wie sich die Erderwärmung negativ auf unser Kulturerbe auswirkt. Wir versuchen durch vorbeugende Maßnahmen gegenzusteuern, im Kleinen und Großen Schäden und Verlusten vorzubeugen. Im Katastrophenfall sind wir zudem mit der Rettung unseres gebauten Kulturerbes, unserer Geschichtszeugnisse und weiterer identitätsstiftender Kulturgüter betraut. Der Wiederaufbau und die Wiedernutzbarmachung von havariertem Kulturgut und historischen Bauten beispielsweise beschäftigen uns über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hinweg.

Unser Anliegen ist es, Kulturgutschutz und Umweltschutz zusammen zu denken. Ein Ansatz, den übrigens viele Museen und auch die Restauratorinnen und Restauratoren bereits seit mehreren Jahren und angesichts der Energiekrise jetzt nochmals verstärkt verfolgen. Uns ist bewusst: Ohne aktiven Klimaschutz können wir unsere Umwelt und zugleich das Kulturerbe der Menschheit nicht dauerhaft für die nachkommenden Generationen erhalten. Wir müssen gesamtgesellschaftlich von leeren Worthülsen zum aktiven Handeln kommen.

Als Berufsverband setzen wir uns in diesem Jahr intensiv mit dieser Thematik auseinander:
Den Europäischen Tag der Restaurierung in Deutschland mit über 200 Veranstaltungen deutschlandweit richteten wir am 16.10.2022 unter dem Motto „Kulturerbe im Klimawandel“ aus. Auf der Europäischen Leitmesse für Restaurierung und Denkmalpflege vom 24.-26.11.2022 in Leipzig werden wir eine Vortragsreihe dem Kulturgutschutz im Katastrophenfall widmen. Zudem ist der Verband der Restauratoren seit Anfang Oktober offizieller Kooperationspartner der Initiative Museums for Future Germany, die sich mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz in den Museen befasst. Nebenbei: Eine Restauratorin zählt zu den Mitgründerinnen dieser Initiative.

Mit den Aktionen, mit denen die Klimaaktivisten möglichst große Beachtung in den Medien erreichen wollen – und dies auch tun – arbeiten die Aktivist:innen somit gegen einen möglichen Partner: die Restaurator:innen.

Positiv nehmen wir wahr, dass die Aktivisten ihre Aktionen bislang augenscheinlich sehr zielgerichtet durchgeführt haben, indem sie sich ausschließlich an Bilderrahmen und Museumswände klebten und immer verglaste Gemälde zum Bewerfen mit Lebensmitteln aussuchten.

Jedoch: Schäden unterschiedlichen Ausmaßes sind an den Bilderrahmen und teils auch an den Werken entstanden. Dazu muss man wissen, das Verglasungen nicht zwangsläufig komplett dicht sind, Flüssigkeiten in die Ritzen eindringen und mit dem Bildträger und den Malschichten in Berührung kommen können. Auch die Rahmen sind wertvoll, vor allem wenn sie aus der Zeit des Kunstwerks selbst stammen sind sie wichtiger Bestandteil des Werks. Bei unverglasten Gemälden würden die Schäden gewiss weitaus gravierender ausfallen, wobei das Ausmaß der Beschädigung sehr von der Zusammensetzung des Kunstwerkes – Ölgemälde oder ein anderes Malmedium – und auch der Art der Substanz, die auf die Oberfläche trifft, abhängt. Basisch oder sauer? Kalt oder warm? Flüssig oder klebrig? ...

Wichtig ist in jedem Fall schnelles, aber auch fachkundiges Handeln, um auf die jeweilige Notlage korrekt zu reagieren und das Ausmaß der Schäden zu begrenzen. Generell sollten Flüssigkeiten, bevor sie in die Oberfläche eindringen, vorsichtig abgetupft, aber nie gewischt werden. Hat sich die Malschicht allerdings bereits gelöst, sehen die Arbeitsschritte anders aus, sodass keine allgemeingültigen Handlungsanweisungen gegeben werden können.
Bei der Abnahme eines schnell trocknenden Sekundenklebers hingegen bleibt mehr Zeit für die zwangsläufig anfallenden Restaurierungsmaßnahmen, weil der Kleber bereits getrocknet und mit der Oberfläche fest verbunden ist. Hier wird der Schaden im Nachgang Millimeter für Millimeter behoben werden. Fest steht: Die Restaurierungen binden kostbare Res­sour­cen der Restaurator:innen sowie der Museen, die sinnvoller einzusetzen wären, beispielsweise für den Klimaschutz.

Definitiv, und dessen muss man sich bewusstwerden, entsteht für die attackierten Ausstellungshäuser ein langfristiger Schaden – ganz unabhängig davon, ob ein Kunstwerk tatsächlich Schaden genommen hat. Die Forderung nach vermehrten Sicherungsmaßnahmen durch Gemäldeverglasungen, Taschenkontrollen und Sicherheitspersonal werden laut. Die Kosten hierfür sind wohl kaum stemmbar. Leihgeber könnten ihre Werke zurückfordern, wodurch die Museen Publikumsmagneten und letztlich auch Besucherinnen und Besucher verlieren. Das trifft die von der Pandemie ohnehin schon finanziell gebeutelten Kulturbetriebe schwer.

Nachtrag vom 28.10.22:

Das Museum Barberini in Potsdam musste im Nachgang der Attacke schließen. Die Attacke hatte nicht nur Monets Heuschober getroffen. Spritzer des flüssigen Kartoffelbreis mussten auch auf umliegenden Werken entfernt werden.
In der SZ vom 27.10. ist ein Bericht des Vorfalls erschienen, der die Lage aus Sicht der Restauratorin detailliert wiedergibt:
Kartoffelbrei-Angriff auf Monet: Ein Stück Filz rettet das Kunstwerk - Politik - SZ.de (sueddeutsche.de)

Mit Erschütterung nehmen wir wahr, dass Klimaaktivsten in Den Haag die Reihe von Angriffen auf berühmte Gemälde fortgesetzt haben. Heute klebte sich ein  Aktivist direkt auf die verglaste Bildfläche von Vermeers Mädchen mit dem Perlenohring, ein weiterer auf die angrenzende Wand, während ein dritter eine "unbekannte Substanz" auf das berühmte Gemälde schüttete.

Nachtrag vom 31.10.22:

Im Berliner Naturkundemuseum klebten sich am 30.10.22. zwei Klimaaktivistinnen an Metallstangen unter einem Dinosaurierskelett fest. In der Alten Nationalgalerie wurde zudem ein Gemälde von Toulouse-Lautrec mit Kunstblut beworfen. Dieser aus unserer Sicht sinnlose Angriff auf das Kulturerbe ist offenbar keiner klimapolitisch aktiven Gruppe zuzuordnen. Der Stern berichtet zu den Details.

Nachtrag vom 7.11.22:

Kunstrestauratoren appellieren an Klimaaktivisten am 5.11. im ARTE-Beitrag und veranschaulichen, welche Schäden für die Museen entstehen.

Am 6.11. klebten sich zwei Klimaaktivisten im Prado an den Rahmen zweier Gemälde des Künstlers Goya fest.