Grenzen testen? Evaluation des erweiterten Klimakorridors

Vor dem Hintergrund der Energiekrise veröffentlichte der Deutsche Museumsbund zusammen mit dem VDR und dem Rathgen-Forschungslabor im Herbst 2022 eine „Empfehlung zur Einsparung durch die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei […]

Vor dem Hintergrund der Energiekrise veröffentlichte der Deutsche Museumsbund zusammen mit dem VDR und dem Rathgen-Forschungslabor im Herbst 2022 eine „Empfehlung zur Einsparung durch die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung“.

Als Berufsgruppe, die für die Bewahrung des Kulturerbes maßgeblich verantwortlich ist, interessierte uns bereits nach dem ersten Winter mit den neuen Empfehlungen ganz besonders, welche Erfahrungen die Kolleg:innen machen konnten, wenn die Empfehlungen angewandt wurden.

Wir wollten wissen, wie viele Häuser die Empfehlungen bereits umsetzen und ob diese ein begleitendes Monitoring betreiben. Uns interessierte besonders: Öffnen sich mit der Weitung des Klimakorridors auch Risiken? Denn wir sind uns bewusst, auch wenn die Klimakorridore nun für alle Objekte möglichst weit gefasst sind, stellen die bis dahin angestrebten Sollwerte, wie sie seit Jahrzehnten Standard sind, nach wie vor eine sichere Variante dar.
Zudem erhofften wir uns durch die Umfrage erste Einschätzungen dazu, ob mit der Einführung des erweiterten Klimakorridors tatsächlich Einsparungen erzielt wurden und ob dies überhaupt ermittelt wurde.

Die Umfrage „Klimakorridore“ lief von 8. Mai bis 15. Juni 2023. Es beteiligten sich 169 Kolleg:innen. Die Ergebnisse der Umfrage möchten wir Ihnen nun vorstellen.

  • Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Befragten die vom Museumsbund herausgegebenen Empfehlungen zu den erweiterten Klimakorridoren noch nicht anwendet (47,34% nein, 19,53% weiß nicht).
  • Wenn der erweiterte Klimakorridor angewandt wird (33,14% ja), dann geben davon 75% als Grund dafür an, dass dies aufgrund von Kosteneinsparungen geschehen ist, 56% taten dies auch aus Gründen der Nachhaltigkeit, eine Mehrfachnennung war möglich.
  • 75% der Anwender:innen halten den genannten Klimakorridor auch ein. Wenn der Klimakorridor nicht eingehalten wird, geschieht dies überwiegend (61,54%) aus anlagentechnischen Gründen. Die Klimaschwankungen liegen dann 88% der Fälle bei 5-10% höherer r.F. und 2-5°C über dem Sollwert.
  • 65% der Befragten führen ein Zustandsmonitoring durch, bei vielen geschieht dies vor allem mit optischen Methoden und in fast allen Fällen (96%) durch die Abteilung Konservierung-Restaurierung.
    Die Umfrage zeigt überdeutlich, dass an vielen Häusern die personellen Kapazitäten für präzis(er)es Monitoring und folglich auch für eine entsprechende Auswertung fehlen.
  • Im direkten Bezug zu den erweiterten Klimakorridoren gaben nur wenige an, dass sie bereits Schäden feststellen konnten (16,22%). Das verwundert nicht, da viele Häuser und Restaurierungsabteilungen kaum oder nur sehr oberflächliches Monitoring betreiben können. 35,14% gaben außerdem an, dass der Monitoring-Zeitraum noch nicht abgeschlossen und somit die Auswertung noch ausstehend ist.
  • Ob durch die Einführung der erweiterten Klimakorridore tatsächlich Kosten eingespart werden konnten, ist der Mehrheit (63,16%) unbekannt, 18,42% sagen nein und ebenfalls 18,42% sagen gegenteilig ja, wobei die Höhe der Einsparungen meist nur geschätzt werden kann.
  • Aus den Freifeldkommentaren geht zudem hervor, dass in einigen Häusern überhaupt keine Klimaanlagen vorhanden sind. Vielerorts sind die Klimaanlagen veraltet, defekt und unzuverlässig, die Räume nicht einzeln steuerbar und die Gebäude unzureichend gedämmt. Auch wird angegeben, dass sich bei der bestehenden Anlagensteuerung aus der Erweiterung des Korridors nicht die angestrebte Energieeinsparung ergeben würde und es Einsparpotential auch ohne die erhebliche Ausweitung des Klimakorridors gibt, zum Beispiel durch zeitlich gesteuerte Beleuchtung und Beheizung von Büroräumen oder durch Ertüchtigung der Bausubstanz.

Die vollständigen und detaillierten Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.

Gerne führen wir die Diskussion um Klimakorridore, Sollwerte und Schwankungsbereiten weiter. Schreiben Sie uns, wenn Sie Anmerkungen oder Ergänzungen zur bisherigen Umfrage haben, neuere Erfahrungen und Ergebnisse teilen möchten oder diskutieren Sie mit uns und anderen Kolleg:innen auf den kommenden Tagungen und Fachgruppentreffen.

Regina Klee, Laura Petzold und Julia Dummer
Sprecherinnenteam der Fachgruppe Präventive Konservierung
mit Gisela Gulbins, Vizepräsidentin im VDR

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