Giftiges Kulturerbe – VDR-Tagung setzte Impulse

Auf der VDR-Fachtagung „Alles im grünen Bereich?! Gift- und Gerfahrstoffe beim Umgang mit Kulturgut I" am 24. und 25. Mai 2024 war Aufbruchstimmung zu spüren. 326 Teilnehmende kamen hybrid zusammen, […]
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Auf der VDR-Fachtagung „Alles im grünen Bereich?! Gift- und Gerfahrstoffe beim Umgang mit Kulturgut I" am 24. und 25. Mai 2024 war Aufbruchstimmung zu spüren. 326 Teilnehmende kamen hybrid zusammen, um über Schadstoffe und Arbeitssicherheit in der Restaurierung und Denkmalpflege zu sprechen.

Ein Nachbericht von Sven Taubert

mit Fotos von Sven Taubert, Linda Wenzel, Angela Walther, Julia Kun und Henrike Steinweg

 

Nun?: Alles im grünen Bereich bei Ihnen?

Sowohl ich als auch das ganze Organisationsteam der Konferenz konnte diese Frage an drei spannenden Tagen für sich mit einem ganz klaren „Ja!“ beantworten. Nach einer anstrengenden Phase der Vorbereitung folgte am 24. Mai endlich die Vorfreude auf das Treffen mit Kolleg*innen und die vielfältigen Erfahrungsberichte der Referent*innen.

Dabei ist das Thema dieser Konferenz ein sehr ernstes und ernst zu nehmendes. Begriffe wie Gift, Gefahrstoffe, Gefährdung, Kontamination, Gesundheitsrisiko und Belastung kontrastieren doch sehr stark zu den Assoziationen, die wir mit Kunstwerken sonst gemeinhin verbinden.

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Schönheit, Glanz und Prachtentfaltung einerseits – Gefahr, Krankheit oder gar Tod andererseits liegen nicht selten sehr dicht beieinander, so auch in einigen besonderen Fällen der Kunsttechnologie.

Giftige Materialien in der künstlerischen Anwendung sind uns aus den Ergebnissen naturwissenschaftlicher Untersuchungen oder historischer Quellenforschung bekannt. Aber auch die Praxis des Kunstguterhalts, also die der Konservierung und Restaurierung selbst ist mit dem Einsatz giftiger Substanzen verbunden.
Diese Erkenntnis ist nicht neu und doch: Haben wir – die wir mit der Materie befasst sind – das damit verbundene Risiko für unsere Gesundheit wirklich immer ernst genug genommen?

Das Thema der Schadstoffe in musealen Einrichtungen wird in Deutschland erst seit etwa 20 Jahren mit der notwendigen Aufmerksamkeit bedacht, während es in den europäischen Nachbarländern, den USA und auch in Kanada bereits deutlich länger diskutiert wird.

Dies mag damit zusammenhängen, dass auch der Trend der präventiven Konservierung in Deutschland vergleichsweise jung ist. Die üblicherweise für das Innenraumklima musealer Einrichtungen charakterisierenden Parameter wie Temperatur und relative Luftfeuchte lassen sich durch qualifiziertes Museumspersonal eigenständig und inzwischen relativ einfach erfassen. Ihre Relevanz ist für alle mit der Erhaltung von Kunst und Kulturgut Beauftragten verständlich und weitgehend unstrittig.

Ganz im Gegensatz dazu bleibt aber die Schadstoffproblematik primär abstrakt, weil sie, solange kein sichtbares Schadensbild an Objekten vorliegt, nur selten anschaulich greifbar und wahrnehmbar ist. Nicht viel anders sieht es im Arbeitsfeld der Restaurierung in der Denkmalpflege aus.

Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass der VDR – das erste Mal in seiner Geschichte – vor zwei Jahren einen Ausschuss für Arbeitssicherheit gegründet hat – ein Knoten- und Sammelpunkt für Information, Beratung und Austausch, der qualifiziert besetzt und bespielt werden will, wozu interessierte Kolleg*innen aus der Restaurierung wie auch aus benachbarten Disziplinen an dieser Stelle ermuntert werden sollen und eingeladen sind.

Sehr erfreulich ist daher, dass die Ideengebung zu diesem wichtigen Tagungsthema aus den Reihen des IDK und des VDR-Ausschusses für Arbeitssicherheit kam. Eine wichtige Grundlage hierfür bildete das IDK-Projekt zum innovativen umwelt-, denkmal- und sicherheitsgerechten Umgang mit Schweinfurter Grün 2020-23 – maßgeblich unterstützt durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Vielen Dank dafür an Constanze Fuhrmann, Leiterin des Fachreferats Umwelt und Kulturgüter bei der DBU, die auf der Wörlitzer Tagung ein Grußwort sprach.

Wenn der VDR die Thematik nun heute zu einer wichtigen Hauptfrage erhebt und dazu zahlreiche Expert*innen befragt, dann ist das mehr als folgerichtig. Wir Restaurator*innen stehen an markanten Schnittstellen. Wir untersuchen und erforschen und schützen unser Kulturgut – beschäftigen uns dabei mit Objektgeschichte, Kunsttechnologie und Erhaltungskonzepten.

Gift- und Gefahrstoffe treten uns dabei in unterschiedlichen Zusammenhängen und Situationen entgegen:

  1. Gift und Gefahrstoffe können originärer materieller Bestandteil des Kulturgutes sein.
    Historische Objekte bestehen mitunter selbst aus gefährlichen Stoffen, so wie es einige wunderschöne und doch schwer giftige Farbpigmente beweisen.
  2. Die Anwendung von Gift- und Gefahrstoffen ist Teil konservatorischer Intervention: etwa zum Zweck der Bekämpfung von Insekten oder Schimmelpilzen – hier nicht nur an hochwertigen Kunstobjekten in Sammlungen und Archiven, sondern auch in der Denkmalpflege bei Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen an Gebäuden und ihren Ausstattungen.
    Wir Restaurator*innen setzen also selbst gesundheitsgefährdende Substanzen ein, um die Entwicklung von Schadorganismen und Verfallsprozesse zu stoppen.
  3. Restaurator*innen sind es, die Konzepte zur Reduzierung von Giftpotentialen und Schadstoffen in und an Kulturgut suchen und finden sollen. Immer öfter und zunehmend wird dies essenzieller Teil unseres fachlichen Auftrages.
    Wir sind es daher auch, die in planerischer Funktion derartige Konzepte entwickeln und umsetzen müssen. Ohne, dass wir präzise Vorgaben für die Ausführenden formulieren, würde das nicht funktionieren.

Der VDR hat für seine eigene Organisationsstruktur 18 Fachgruppen definiert, die für unterschiedliche Materialklassen und Kombinationen aus solchen stehen. Jede dieser Fachgruppen hat dabei ihren eigenen Blickwinkel und Erfahrungshorizont zum Thema Gift- und Gefahrstoffe.
Wir spüren die Komplexität, mit der wir konfrontiert sind!

Daher ist es nur folgerichtig, dass wir uns damit dezidiert auseinandersetzen. Folgerichtig ist auch, dass wir dabei die Expertise aus benachbarten Disziplinen der Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie der Medizin und den Medizinwissenschaften heranziehen.

Insofern dürfen wir unsere Tagung in Wörlitz 2024 als einen Schmelztiegel einer Vielfalt von Erfahrungen, Informationen und Innovationen sehen – ausgebreitet und diskutiert von unseren zahlreichen Referent*innen, denen ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für ihre Bereitschaft dazu aussprechen möchte.

Die Wörlitzer Tagung hat einen wichtigen IMPULS gesetzt zum offenen und ehrlichen Umgang mit einem unliebsamen und schwierigen Thema. Durch die Vielzahl unterschiedlicher Beiträge gehen wir hochsensibilisiert aus dieser Tagung in unsere Arbeitsräume zurück – als Multiplikatoren von Wissen und Erfahrung – wohl wissend:

GIFT- und SCHADSTOFFE begegnen uns an Kulturgütern häufiger, als uns bekannt ist und lieb sein kann.

Ich möchte mich herzlich bedanken bei all denen, die mit großem Engagement die Tagung vorbereitet und mit viel persönlicher Hingabe forciert haben.

Namentlich hervorheben möchte ich aus den Reihen des VDR:

Susanne    SCHUMANN      Sprecherin der VDR-FG W/A
Petra          BAUSCH            Vorsitzende des VDR-AA Arbeitssicherheit
Boaz          PAZ                    Vorsitzender des VDR-AA Arbeitssicherheit

Weiterer großer Dank geht an unsere Kooperationspartner:

Christoph  FRANZEN          IDK Dresden
Angela       WALTHER          Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
Robert       HARTMANN      Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

Zu danken ist weiterhin den Mitarbeitenden aus der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und den Technikern, die uns das anspruchsvolle Hybrid-Format der Tagung ermöglichten.

Ebenfalls ein herzliches Dankeschön richte ich an die Sponsoren, die unser anspruchsvolles Programm finanziell unterstützten. Es sind dies die Firmen

analyticon instruments gmbh,
Deffner & Johann GmbH,
Paz Laboratorien für Archäometrie sowie
Zuckerbaum - Kultur. Gut. Erhalten.

Zuletzt nenne ich mit Respekt, großem Dank und Anerkennung unsere Kolleginnen aus der VDR-Geschäftsstelle –

die Veranstaltungsorganisatorinnen Julia Kun und Henrike Steinweg sowie
Nadine Limberger, Patricia Brozio, Gudrun von Schönebeck und Christiane Schillig.