Fachtagung in Dessau-Wörlitz: Toxisches Erbe im Fokus

Am 24. und 25. Mai 2024 versammeln sich über 300 Fachleute aus Restaurierung und Denkmalpflege in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Der Bundesverband der Restauratoren lädt ein, um über ein höchst relevantes Thema zu sprechen: Schadstoffbelastete Kulturgüter. Diese finden sich nicht nur in Sammlungen, Baudenkmalen, Archiven und Bibliotheken, sondern teils auch in Privathaushalten.

Restaurator:innen diskutieren in Wörlitz über den Umgang mit schadstoffbelasteten Kulturgütern und Gebäuden.

Mit dem Verdacht auf Arsen befassen sich derzeit zahlreiche Archive und Bibliotheken. Foto: VDR (Symbolbild)
Mit dem Verdacht auf Arsen befassen sich derzeit zahlreiche Archive und Bibliotheken. Foto: VDR (Symbolbild)

Am 24. und 25. Mai 2024 versammeln sich über 300 Fachleute aus Restaurierung und Denkmalpflege in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Der Bundesverband der Restauratoren lädt ein, um über ein höchst relevantes Thema zu sprechen: Schadstoffbelastete Kulturgüter. Diese finden sich nicht nur in Sammlungen, Baudenkmalen, Archiven und Bibliotheken, sondern teils auch in Privathaushalten.

Historischer Einsatz von Schadstoffen

In der Vergangenheit wurden zahlreiche schädliche Substanzen zur Konservierung und Herstellung von Kulturgütern eingesetzt. Arsen, Quecksilber und organische Biozide wie DDT, PCP und Lindan kamen bis in die 1990er Jahre großflächig zum Einsatz, um Kunstwerke, Möbel, Textilien und andere historische Objekte vor Schädlingsbefall zu schützen. Mit Hylotox, einem damals handelsüblichen Produkt, durchtränkte man in den 1970er Jahren ganze Dachbalken und Fußböden. Damals ging man davon aus, dass der Einsatz „halb so wild“ wäre. Heute weiß man, dass die enthaltenen Stoffe Lindan, DDT und PCP hochgradig gesundheitsgefährdend sind und entsprechende Vorsicht walten muss.

Herausforderungen und neue Lösungen

Die Herausforderung für Fachleute besteht darin, diese Stoffe zu identifizieren, ihre potenziellen Risiken zu bewerten und geeignete Maßnahmen zum Schutz von Bewohner:innen, Besucher:innen und Restaurator:innen zu ergreifen. Insbesondere bei Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten müssen spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um die Exposition gegenüber diesen Giftstoffen zu minimieren.

Daneben stellt sich die große Frage nach neuen Technologien zur sogenannten Dekontaminierung, sprich: Mit welchen Verfahren und inwieweit bekommt man die einst eingesetzten Biozide wieder aus dem Gefüge heraus? Darüber, dass dies wohl nie in Gänze möglich ist, ist man sich weitgehend einig. Aber es gibt bereits Verfahren, die eine deutliche Reduktion von Schadstoffen ermöglichen. Neben dem Oberflächenabtrag durch Reinigung und der Anwendung von feuchtegeregelten Warmluftkammern verspricht aktuell eine neuartige Plasmatechnologie neue Fortschritte. Über den ersten erfolgreichen Test des sogenannten Cyclo-Plasmas an einem historischen Dachstuhl und bevorstehende Versuchsreihen an anderen Artefakten und Materialien wollen sich die Forschenden mit den Tagungsteilnehmer:innen austauschen.

Giftige Pigmente und Substanzen

Unabhängig davon, um welchen Schadstoff es sich handelt: Ein großes Problem ist, dass die meisten Kontaminationen oft unerkannt bleiben, weil sie auf den ersten Blick unsichtbar und zudem geruchslos sind. Dies trifft auch auf Kulturgüter zu, die aus toxischen Materialien bestehen oder damit beschichtet sind. Beispiele dafür sind radioaktive Substanzen, die bis in die 1960er Jahre hinein Zifferblätter von Uhren zum Leuchten brachten, oder Asbest, das in verschiedensten Anwendungen in Gebäuden und Gebrauchsgegenständen verbaut wurde, aber auch eine Vielzahl an giftigen Pigmenten.

Auf das arsenhaltige Pigment „Schweinfurter Grün“ hat die Fachwelt derzeit ein besonderes Augenmerk geworfen. Neu ist die Erkenntnis, dass das Pigment sehr breite Anwendung fand: nämlich in Wandfarben, an Gemälden, Tapeten, Bucheinbänden – und das in ganz unterschiedlichen Farbausmischungen. Genau hierin liegen die Schwierigkeiten bei der Identifizierung. Viele Bibliotheken, Denkmalämter und Sammlungen sind daher hellhörig geworden und haben begonnen, ihre Bestände auf Arsenbelastungen hin zu prüfen.

Sensibilisierung und Schutzmaßnahmen

Die Sensibilität für die gesundheitlichen Gefahren ist gestiegen, doch viele Eigentümer und Verantwortliche schenken dem Thema noch immer zu wenig Aufmerksamkeit. Für Menschen, die täglich mit historischen Stücken arbeiten oder sich länger in alten Gemäuern aufhalten, sind Schutzmaßnahmen unerlässlich. Hier zu sensibilisieren, Erfahrungen auszutauschen und den Schutz von Menschen und Umwelt zu verbessern, ist das Anliegen der Zusammenkunft in Wörlitz.

Ausblick und Fortsetzung

Die Tagung des Verbandes der Restauratoren (VDR) in Kooperation mit der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (KsDW) und dem Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. (IDK) markiert somit einen wichtigen Schritt im Umgang mit gefährlichen Altlasten in unseren Kulturgütern und Baudenkmalen. 2025 soll es eine Fortsetzung geben, dann unter anderem mit einem Fokus auf Asbest. Die Restaurator:innen hoffen, durch diesen kontinuierlichen Dialog mit Sammlungsleiter:innen, Denkmalpfleger:innen und Eigentümer:innen die Erhaltung und sichere Nutzung historischer Gebäude und Güter noch besser gewährleisten zu können.

 

Weiterführende Links:

Link zur Tagungsseite: https://www.restauratoren.de/termin/tagung-alles-im-gruenen-bereich-gift-und-gefahrstoffe-beim-umgang-mit-kulturgut-teil-1-2024/

Link zum Arbeitsausschuss Arbeitssicherheit im Verband der Restauratoren (VDR): https://www.restauratoren.de/der-vdr/arbeitsausschuss-arbeitssicherheit/