Das „Europäische Glossar für Wandmalerei und Architekturoberfläche“, das so genannte EwaGlos (European Illustrated Glossary of Conservation Terms for Wall Paintings and Architectural Surfaces) erhält seine 16. Sprachfassung. Die darin veröffentlichten Fachbegriffe der Konservierung und Restaurierung gibt es jetzt erstmals auf Chinesisch (Mandarin): Die Übersetzung, die Gesa Schwantes, Associate Professor am „Institute for the Conservation of Cultural Heritage“ an der Shanghai University in China, zusammen mit einem Team chinesischer Kolleg*innen entwickelte, finden Interessierte seit November 2022 kostenfrei auf der Website des Hornemann Instituts der HAWK Hildesheim.
Das EwaGlos umfasst die in einem EU-Projekt entwickelten englischen Definitionen wichtiger Fachbegriffe sowie deren Übersetzungen in die Muttersprachen der Partner*innen, also in Bulgarisch, Kroatisch, Französisch, Deutsch, Ungarisch, Italienisch, Polnisch, Spanisch und Türkisch.
Die deutsche Restauratorin Gesa Schwantes, die das chinesische Übersetzungsprojekt leitete, hatte die englische Version des 2015 publizierten EwaGlos schon für ihren Unterricht an der Universität in Hong Kong verwendet. Dort baute sie zwischen 2011 und 2020 ein Labor für Kunsttechnologie und Konservierung an der Fakultät für Architektur auf, leitete es und zudem unterrichtete sie die Studierenden des „Architectural Conservation Progammes“ (MSc und BA Conservation) in Grundlagen der Konservierungstechnologie und Konservierungswissenschaften. Sie fand die umschriebenen Begriffe dabei sehr nützlich: „Ich habe meinen Studierenden bisher nur das PDF mit den englischen Erklärungen gegeben. Schon beim ersten Mal habe ich aber gedacht, dass es super wäre, eine chinesische Version zu haben“, erläutert sie. Nachdem sie im Januar 2021 die neue Stelle als Associate Professor am „Institute for the Conservation of Cultural Heritage“ an der Shanghai University antrat, war das Thema gutes zweisprachiges Unterrichtsmaterial zu finden, oder es zu entwickeln, ein noch zentraleres. Die Studierenden an der Shanghai University im Beriech Konservierung sind es wenig gewohnt, englischsprachige Kurse zu belegen und die korrekte Vermittlung von Fachbegriffen war daher noch komplizierter.
„Als sie sich bei uns meldete und sich für diese wichtige Übersetzung anbot, startete sie mit der Idee, die 200 ausgewählten Begriffe um einige zu erweitern. An der Auswahl und Beschränkung der Begriffe hatte sich auch unser EU-Konsortium die Zähne ausgebissen, denn es fehlt immer etwas, man bekommt die Auswahl nie ganz rund, zumal chinesische Wandmalerei und Kunsttechnologie sehr komplex ist“, ergänzt Dr. Angela Weyer, Leiterin des Hornemann Instituts der HAWK in Hildesheim.
Weyer koordinierte 2013 bis 2015 das EU-Projekt, das zunächst 2015 die 200 Fachbegriffe des Glossars in 11 Sprachen publizierte und 2016, nach einer internationalen Evaluation – eine überarbeitete Version im Internet zur Verfügung stellte. Auf dieser zweiten, verbesserten Edition basieren die späteren Übersetzungen in Arabisch (Juni 2017), Japanisch (Juli 2018), Russisch (Dezember 2018) und Persisch (Mai 2019). Alle Übersetzungen des EwaGlos lassen sich ebenfalls im Webportal des Hornemann Instituts kostenfrei herunterladen.
Gesa Schwantes entschied sich, bei den schon anfangs für EwaGlos ausgewählten Begriffen zu bleiben, nahm aber ihre deutsche Muttersprache noch dazu, sodass die nun von ihr herausgegebene chinesische Übersetzung neben den englischen Definitionen auch noch die deutschen umfasst.
Mit Bedacht wählte sie ihr Team aus: eine ehemalige, außergewöhnlich gute Master Studentin der Restaurierungswissenschaften, die zu dem Zeitpunkt PhD Kandidatin an der Nicolaus Copernicus University in Toruń in Polen war, aber wegen Covid nicht dort einreisen konnte, sowie eine Restauratorin aus der Denkmalpflege in der Provinz Shanxi. Deren Bemerkungen und Fragen zur ersten Übersetzung arbeitete Gesa Schwantes durch. Da eine 1:1 Übersetzung nahezu nie möglich ist, konsultierte sie bei einigen Übersetzungsproblemen weitere Kolleg*innen. Anschließend sendete sie die unterschiedlichen Kapitel an Kolleg*innen mit sehr guten Englischkenntnissen. „Einer dieser Editoren machte sie darauf aufmerksam, dass manche Begriffe innerhalb Chinas unterschiedlich benutzt werden, ein Phänomen, dass wir selbst im kleinen Deutschland haben“, erläutert Angela Weyer.
„Trotz dieser Einschränkungen sehen meine Kolleg*innen diese Publikation als sehr hilfreich angesehen“, resümiert Gesa Schwantes nun nach rund 100 Tage von deren Internetveröffentlichung. „Ihre umfangreiche Bibliografie wird auch die englische Fachliteratur für chinesische Studierende zugänglicher machen. Ich selbst habe dabei Erfahrungen gesammelt, die ich hoffentlich künftig für die Erstellung eines Lehrbuches über chinesische traditionelle Wandmalerei, ihre Techniken, Materialien und historische Restaurierungsmaßnahmen auf Englisch und Chinesisch nutzen kann. Das wäre toll."