Berlin // Aktuelles Gerichtsurteil bestätigt die Wissenschaftlichkeit der Restaurierung //
Die Vergütung von Restauratorinnen und Restauratoren im öffentlichen Dienst erfolgt in vielen Fällen noch immer weit unter den Tarifen, die angemessen wären. Und das, obwohl sich das Tätigkeitsfeld und die Ausbildung in den letzten Dekaden entscheidend verändert haben und Restauratoren ebenso wissenschaftlich und selbstständig arbeiten wie andere Disziplinen. Die meisten Restauratoren sind noch in Entgeltstufe 9 und 10 einruppiert und somit deutlich niedriger als z. B. Kuratoren oder Naturwissenschaftler in der Kulturerbeforschung.
Mehrere Restauratorinnen in Berlin haben deshalb Klagen vor Gericht angestrengt, um diesen Umstand zu ändern. Eine von ihnen ist Diplom-Restauratorin Alexandra Czarnecki, die ihr Verfahren in zweiter Instanz gewonnen hat. Über diesen Etappensieg und die Höhergruppierung berichtet sie im Interview mit der VDR-Redaktion.
Du hast gerade ein Gerichtsverfahren hinter dir? Wie fühlst Du Dich?
Erleichtert. Eine große Last ist von mir gefallen. Nicht nur weil es gut ausgegangen ist, sondern weil es vorbei ist. Natürlich gibt es noch die Möglichkeit, dass meine Arbeitgeberin Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht einlegt, doch die führt nur in den seltensten Fällen zum Erfolg. Ganz unabhängig davon freue ich mich über den Etappensieg.
Wie lange ging der Rechtsstreit?
Der Rechtsstreit lief zwar erst seit 2019, doch das Thema Höhergruppierung beschäftigt mich als Angestellte einer Bundeseinrichtung bereits seit dem 1. Januar 2014 als das neue Tarifgesetz in Kraft getreten ist. Seit sechs Jahren bemühe ich mich um eine Höhergruppierung innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seit zwölf Jahren bin ich hier beschäftigt. Jetzt ist Halbzeit und ich habe es endlich geschafft, die Chance auf angemessene Vergütung deutlich zu erhöhen.
Der Fall ist nicht zur Revision zugelassen, d. h. Du hast gewonnen. Da hat sich das Durchhalten gelohnt. Würdest Du anderen Restauratorinnen und Restauratoren empfehlen, diesen Weg ebenfalls zu gehen?
Unbedingt! Es ist immer gut für sich einzustehen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Meistens gibt es ja einen Grund dafür. Um Klarheit darüber zu gewinnen, ob man mit seinem Bauchgefühl richtig liegt, helfen die Gerichte. Ganz egal, wie es vor Gericht letztlich für einen ausgeht; das Gefühl, es versucht zu haben, ist ein gutes. Inzwischen weiß ich, dass ich deshalb auch bei einer negativen Entscheidung gelassen gewesen wäre. Man geht ja im Zuge eines Rechtsstreits so manche Phasen der Höhen und Tiefen durch und macht sich seine Gedanken. Jetzt habe ich Gewissheit darüber, dass ich im Recht bin.
Nun ist es sicherlich schwierig gegen den eigenen Arbeitgeber zu klagen. Hattest Du anfangs Hemmungen?
Die Vorstellung gegen seinen Arbeitgeber zu klagen, gefällt niemandem. In meinem Fall ist es so, dass ich mich mit meinen Tätigkeiten stark identifiziere und meine Arbeit im Museum sehr gern mache. Da will man kein Risiko eines Konflikts eingehen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich über meinen inneren Konflikt mit meiner Arbeitgeberin sprechen muss. Die Entscheidung zu klagen fiel erst nach langen und intensiven Gesprächen mit meinen Vorgesetzten und der Personalchefin. Ich wusste, dass alle für meine Situation Verständnis haben und niemand mein Vorgehen persönlich nimmt oder es als Kampfansage versteht.
Der VDR hat Dich bei dem Verfahren begleitet. Paul Grasse von der Geschäftsstelle war bei den Verhandlungen dabei. Die Geschäftsstelle hat finanziell unterstützt. Kannst Du kurz schildern, wie das ablief?
Unkompliziert. Eine E-Mail, ein Formular, die Zustimmung! An dieser Stelle möchte ich mich beim VDR ganz herzlich bedanken – insbesondere bei den Mitgliedern, die dem Rechtshilfekostenzuschuss zugestimmt haben. Schließlich generieren sich die rund 325 Euro Zuschuss aus den Mitgliedsbeiträgen!
Was waren letztlich die überzeugenden Argumente für den Richter und seine Beisitzer?
Als Diplom-Absolventin der Technischen Universität München war mein wissenschaftlicher Abschluss vor Gericht zum Glück unstrittig. Zu beweisen galt vielmehr, dass auch meine Tätigkeiten als Skulpturenrestauratorin der Alten Nationalgalerie einen wissenschaftlichen Zuschnitt haben. Den Richter hat zum einen die präzise schriftliche Schilderung meiner Tätigkeiten in einem Arbeitstagebuch überzeugt, des Weiteren die von mir beim Kammertermin mündlich vorgetragene Vielfalt von explizit restauratorischen Untersuchungsmethoden mit denen ich arbeite. In meinem Fall war hierbei auch die Abgrenzung zu den Methoden meiner Kollegen aus den Nachbardisziplinen, wie den Naturwissenschaftlern oder den Kunsthistorikern, besonders wichtig. Man muss bedenken, dass jeder Richter ein Fach-Laie ist und ihm unsere Tätigkeiten nachvollziehbar, detailliert und plausibel erklärt werden müssen. Das ist zwar mühsam, zahlt sich am Ende aber aus.
Was hast Du aus dem Gerichtsprozess gelernt?
Dass man selbst für sich einstehen muss. Jeder ist seines Glückes Schmied. Wenn man für sein Schicksal selbst die Verantwortung übernimmt und nicht nur jammert, kann man eine bessere Situation für sich und letztlich auch eine höhere Anerkennung seines Berufs erreichen. Meine persönliche Hoffnung ist, dass weitere Kollegen meinem Beispiel folgen und bei Bedarf klagen. Und dass das Gerichtsurteil meines Falls anderen Kollegen dabei hilft gute Argumente für die Höherwertigkeit ihrer Tätigkeiten zu erwirken.
Sammelklagen sind nicht möglich. Jeder muss für sich selbst einstehen. Dazu braucht es Mut, oder?
Und einen langen Atem. Doch Restauratoren sind ja in der Regel geduldige Typen. Nur duldsam sollten sie in dem Fall nicht sein. Am besten, man berät sich mit Kollegen und kümmert sich um eine streitige Anwältin. Ich empfehle Frau Musiol von WM Legal aus Berlin. Sie hat bisher noch keine Höhergruppierungsklage von Restauratoren verloren. Und ich bin nicht die einzige, die aktuell klagt.
Nun bist Du in den letzten Jahren immer mal wieder im Radio oder Fernsehen gewesen und hast im besten Sinne Öffentlichkeitsarbeit für die Restauratoren gemacht. Im letzten Jahr hast Du auf einer gemeinsamen Tagung des Deutschen Museumsbundes und Verbandes der Restauratoren gesagt: „Tu Gutes und sprich darüber.“ Für wie bedeutsam hältst Du es, dass man seine Leistungen auch zeigt?
Ich halte es für essentiell wichtig mit restauratorischen Themen an die breite Öffentlichkeit heranzutreten. Nur so können wir auf die relevanten Aufgaben aufmerksam machen, die wir als Bewahrer des Kunst- und Kulturguts – also des Gedächtnisses unserer Gesellschaft – übernehmen und verantworten. Ohne Vergangenheit keine Zukunft. Wir haben einen sehr nachhaltigen Beruf. Nur indem wir über unsere Tätigkeiten berichten, erhalten wir adäquate Aufmerksamkeit und letztlich auch die erforderliche Anerkennung für unseren Beruf – und zwar nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Dass Restaurierung etwas kostet, darf ruhig auch mal gesagt werden. Es ist eine ganz einfache Formel: Wenn’s was kostet, ist es auch was wert. Und Restaurierung ist wertvoll! Das kann nicht oft genug betont werden.
Weil mir die Kommunikation unserer Themen so besonders am Herzen liegt, bereite ich aktuell in Berlin für Restauratoren eine Tagung zu diesem Thema vor. Der Titel lautet „Hinter den Kulissen oder vor der Kamera? Restaurierung und Öffentlichkeitsarbeit“. Mein persönlicher Apell lautet: Ab vor die Kamera! Die jetzt noch schüchternen Kollegen werden nach der Teilnahme an der Tagung offen, kreativ und frei in der Öffentlichkeit über Restaurierung sprechen können.
// Die Fragen stellte Patricia Brozio von der VDR-Redaktion.
Weiterführende Informationen:
Herbsttagung des Arbeitskreises Konservierung/Restaurierung im Deutschen Museumsbund
12.- 13.11.2020, Berlin
Fernsehbeitrag mit Alexandra Czarnecki im rbb Kultur: Restaurierung – Die Schönheit bewahren
18. Januar 2020