// Neuer Ausschuss im VDR zum Thema Arbeitssicherheit gegründet //
Dr. Boaz Paz ist Chemiker und spezialisierte sich bereits in seiner Promotion auf die Umweltanalytik. Nach beruflichen Erfahrungen im Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin und dem Curt-Engelhorn Zentrum für Archäometrie in Mannheim gründete er 2011 in Bad Kreuznach die PAZ Laboratorien für Archäometrie. Neben Material- und Schadstoffanalysen für Museen bietet das Labor eine Weiterbildungsreihe zur Biozidproblematik an. Boaz Paz gehört zu den langjährigen Fördermitgliedern des VDR und ist nun Vorsitzender des neu gegründeten Arbeitsausschusses Arbeitssicherheit.
Herr Paz, Sie sind häufig in den Werkstätten und Depots deutscher Museen unterwegs. Wie ist es um die Arbeitssicherheit der Museumsmitarbeiter:innen und insbesondere der Restaurator:innen bestellt?
Boaz Paz: Man muss leider sagen, dass die Thematik der Schadstoffbelastung von Kunst- und Kulturgut und die damit verbundene Gefährdung der Restauratoren beim Umgang mit kontaminiertem Kulturgut noch nicht genügend Berücksichtigung findet. Zwar wird das Thema Arbeitssicherheit generell immer wichtiger, aber das spiegelt sich weder in den Lehrplänen der Hochschulausbildung noch in der arbeitsmedizinischen Betreuung in den Museen angemessen wider. Wenn man bedenkt, dass in den Museen größtenteils Frauen arbeiten, deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist (im Amtsdeutsch: in gebärfähigem Alter), muss das Thema Arbeitssicherheit und hier insbesondere Substanzen mit krebserregender und fruchtschädigender Wirkung unbedingt mehr in den Fokus gerückt werden. Restauratoren schützen und erhalten unser Kulturgut, aber wer schützt die Restauratoren?
Welche gesundheitsgefährdende Problematik liegt in den Museen häufig vor? Geht es hauptsächlich um Biozide in den Ethnologischen Museen?
Boaz Paz: In den Ethnologischen Museen, etwa in Berlin, begann man auf das Thema der giftigen Biozide relativ früh aufmerksam zu werden. Dieses ist vor allen den Bemühungen von Prof. Dr. Achim Unger und Dr. Helene Tello zuzuschreiben. Inzwischen aber wissen wir, dass auch in den Naturhistorischen Museen, in Herbarien, in Technischen Museen, in Textilien und sogar an Keramiken mit giftigen Stoffen gegen Schädlings- und Schimmelbefall gearbeitet wurde. Viele der Objekte waren bereits behandelt worden, bevor sie ins Museum kamen, etwa vor längeren Überführungen aus Übersee. Da oftmals eine Dokumentation darüber fehlte, wurden die Objekte nach Ankunft in den Museen nochmals prophylaktisch behandelt und dann ins Depot gebracht. Dort wurden die Objekte dann über Generationen hinweg gelagert und wir messen heute Giftcocktails, die ebenso wie die Objekte durch eine stabile Feuchtigkeit und Temperatur unter musealen Bedingungen konserviert wurden.
Weil die Stoffe aufgrund ihrer chemischen Stabilität und geringen Flüchtigkeit nur in geringem Maß abdampfen, sind sie in der Luft kaum messbar. Von den Restauratoren, die mit den Objekten umgehen, werden die lipophilen (fettliebenden) Giftstoffe aber über die Haut (dermal) und über den mobilisierten Staub inhalativ aufgenommen. Sie reichern sich über lange Zeit im Fettgewebe an und werden kaum verstoffwechselt. Zunächst scheint die Aufnahme der Gefahrstoffe keine Auswirkungen zu haben. Krank werden die Menschen erst dann, wenn individuelle Schwellenwerte überschritten werden. Durch Fettabbau, Änderung der Lebensstruktur und Schocksituationen gelangen die Stoffe ins Blut und verteilen sich im Körper. Eine typische Änderung der Lebensstruktur tritt mit dem Pensionsalter ein. Die Menschen werden krank und die Ursachen sind nur noch schwer zuordenbar.
Wie erleben Sie den Umgang der Museen mit dem Thema?
Boaz Paz: Das Bewusstsein dafür entwickelt sich langsam. Das hat damit zu tun, dass das Wissen um die Giftstoffe vielfach noch fehlt. Viele Stoffe, die wir heute an den Objekten finden können, wurden bereits Ende der 1990er Jahre verboten. Daher wurden die Grenzwerte teilweise nicht mehr aktualisiert und entsprechen dem damaligen Stand des Wissens zur Toxikologie von Gefahrstoffen. Aber auch bei der Beurteilung der Schadstoffsituation musealer Sammlungen werden häufig nicht alle notwendigen analytischen Methoden zur Schadstoffmessung herangezogen, die für die eingesetzten Museumsschadstoffe relevant wären. Einige Museen können sich die notwendige Analytik nicht leisten und verfügen nicht über konzeptionelle Möglichkeiten, um mittels technischer oder organisatorischer Maßnahmen das Gefährdungsrisiko zu minimieren.
In einigen Häusern stoßen die Mitarbeiter, die auf die Problematik der Biozide und anderer Giftstoffe hinweisen auf interne Widerstände. Die Schadstoffproblematik führt häufig zu einer Polarisierung, indem die einen das Thema sehr ernst nehmen, während andere vollkommen darüber hinwegwischen.
Nun gibt es im VDR den Arbeitsausschuss Arbeitssicherheit, den Sie leiten. Was steht auf der Agenda des Ausschusses?
Boaz Paz: Den Vorsitz nehme ich gemeinsam mit Dirk Sturmfels aus dem VDR-Präsidium wahr und wir haben, zusammen mit einigen Interessierten, bislang erst eine Videokonferenz gehabt. Generell wollen wir das Thema Arbeitssicherheit an die Restauratorenschaft herantragen, dafür sensibilisieren und ein Netzwerk aufbauen. Zur Arbeitssicherheit gehört natürlich nicht nur die spezielle Biozidproblematik, sondern auch zum Beispiel Ergonomie am Bildschirm, Lasten, biologische Schadstoffe und ganz besonders auch das Thema der psychischen Belastung am Arbeitsplatz.
Wir wollen die Diskussion auf eine sachliche Ebene bringen. Wir werden praktische Handlungsanleitungen entwickeln und die Zusammenarbeit mit den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften verstärken. Unter bestimmten Umständen unterstützen die Unfallkassen die Museen mit Schadstoffmessungen. Wichtig ist uns vor allem auch, dass wir die Leitungsebenen der Museen einbinden, damit das Bewusstsein für das Thema steigt.
// Die Fragen stellte Gudrun von Schoenebeck von der VDR-Redaktion //