In Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Landesdenkmalamt Berlin organisierten die Landesgruppe Berlin-Brandenburg und die Fachgruppe Wandmalerei ein opulentes Kolloquium, „Neues Museum Berlin – Restaurierung und Denkmalpflege im Weltkulturerbe“, das im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums der Verleihung des Welterbe-Siegels an die Museumsinsel Berlin vom 4.-5. Juni 2010 in der Rotunde des Alten Museums stattfand. Explizites Anliegen war, die restauratorisch-denkmalpflegerischen Leistungen der Fachöffentlichkeit darzulegen, zur Diskussion zu stellen und ein kritisches Resümee über das Erbrachte zu ziehen.
Annik Pietsch hat einen Tagungsbericht verfasst: “Eine an der Westfassade des Neuen Museums Berlin prangende Inschrift – „Artem non odit nisi ignarus“ (Nur der Unwissende verachtet die Kunst) – galt dem Verband der Restauratoren als Mahnung Rechenschaft über den Umgang mit der Ruine des Neuen Museums, über dessen Restaurierung und Wiederherstellung abzulegen. In Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Landesdenkmalamt Berlin organisierten die Landesgruppe Berlin- Brandenburg und die Fachgruppe Wandmalerei ein opulentes Kolloquium, „Neues Museum Berlin – Restaurierung und Denkmalpflege im Weltkulturerbe“, das im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums der Verleihung des Welterbe-Siegels an die Museumsinsel Berlin vom 4.-5. Juni 2010 in der Rotunde des Alten Museums stattfand. Explizites Anliegen war, die restauratorisch-denkmalpflegerischen Leistungen der Fachöffentlichkeit darzulegen, zur Diskussion zu stellen und ein kritisches Resümee über das Erbrachte zu ziehen.
Die Geschichte des Neuen Museums, welches für Friedrich Wilhelm IV. von Friedrich August Stüler geplant, von Ignaz von Olfers mitgestaltet und von Carl Wilhelm Hoffmann zwischen 1841-1855 ausgeführt wurde, ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Viele Facetten, der Stellenwert des Neuen Museums im damaligen Konzept der Museumsinsel als ‚Freistätte für Kunst und Wissenschaft’, sein ehemaliges Ausstellungskonzept mit universalgeschichtlichem Anspruch oder das reichhaltige Dekorationsprogramm sowie seine Zerstörung durch den zweiten Weltkrieg und durch die Verwahrlosung in der Nachkriegszeit, wurden angesprochen, aber im Zentrum der Tagung standen die Bau- und Gestaltungstechniken sowie die akribische Planung und Realisierung der Wiederherstellung des Neuen Museums.
Umfangreichstes Restaurierungsprojekt der deutschen Nachkriegsgeschichte
Fünf Sektionen – Einleitende Vorträge zur Bedeutung des Projektes, Tragwerkkonstruktionen und Restaurierung der Fassade, Restaurierung der Putz- und Fassungsoberflächen der Innenräume, Methoden der Salzreduzierung sowie Restaurierung spezieller Materialien und Werktechniken – boten facettenreiche Einsichten in das Gesamtkonzept und in die historischen Bau- und Gestaltungstechniken sowie spannende Eindrücke über innovative Evaluierungs- und Restaurierungsmethoden und über die Restaurierung spezifischer Räume und Objekte. Das umfangreichste Denkmalpflege- und Restaurierungsprojekt der deutschen Nachkriegsgeschichte ist nicht nur als ein solches zu begreifen, sondern könnte durch die zahlreichen zu Tage geförderten Erkenntnisse auch als ein Forschungsprojekt verstanden werden.
Konzept der ‚ergänzenden Wiederherstellung’
Die Vorträge von Jörg Haspel, Helmut F. Reichwald und Alexander Schwarz gaben aus der Sicht des Landesdenkmalamtes Berlin und der David Chipperfield Architects einen Überblick über die Entwicklung und Durchführung des Gesamtkonzeptes, Wulfgang Henze erläuterte die Bauausführung unter C. W. Hoffmann und erklärte die Besonderheiten der Leichtbautechnik nach französischen Vorbild. Noch zu DDR-Zeiten wurde der Wiederaufbau im Sinne einer Teilrekonstruktion des Neuen Museums geplant. Diese Pläne wurden allerdings nach der Wende 1989/1990 verworfen und es wurde im Rahmen der Masterpläne zur Museumsinsel – einem Gutachten einer Expertenkommission von 1991-1992 folgend – nach und nach das Konzept einer so genannten ergänzenden Wiederherstellung entwickelt und auch mit Hilfe der Berliner Bürgerproteste durchgesetzt. 1997 beauftragte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schließlich das Architektenbüro David Chipperfield mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums.
Das durchgeführte Konzept beinhaltete – kurz gefasst – das Bauwerk mit der erhaltenen, teilweise ausgelagerten Originalsubstanz und den Spuren der Kriegseinwirkung zu erhalten sowie gänzlich verlorene Bereiche mit einer neuen Architektur, welche die ursprüngliche räumliche Abfolge aufnimmt, zu ergänzen. Ziel war weder die historisierende Rekonstruktion noch die Zurschaustellung einer Ruine oder die Kontrastierung von Alt und Neu, vielmehr wurde versucht, die Idee Stülers in einer modernen Sprache mit der überlieferten Materie harmonisch zu vereinen, ohne Original und Ergänzung zu verschleifen. Die Planung und Festlegung der restauratorischen Maßnahmen erfolgte für die Bestandsoberflächen der Innenräume, Fassaden und Kolonnaden individuell und in Abhängigkeit zur Befundlage sowie ästhetischen Valenz. Eine teilflächengenaue Planung dokumentierte Bestand und Schäden und legte die konkreten Maßnahmen der Konservierung, Restaurierung und Ergänzung – häufig in Bestandswerktechnik – fest. Diese zentrale Planung des Architektenbüros Chipperfield gab den ausführenden Restauratoren den Handlungsrahmen vor; dieser konnte nur in Abstimmung mit den Architekten verändert werden – wie es Wolfgang Frey (ProDenkmal GmbH) und andere darstellten.
Achtung vor der Originalsubstanz und heutige Anforderungen
Die Instandsetzung der farbigen Fassadenputze des Neuen Museums – Klaus Ricken und Hartmut Schwarzer – macht das Konzept anschaulich. Die Sandsteinimitation in farbigen Putzquadern sowie seine Ausbesserung von 1900/1936 galt es zu konservieren, kleinere Fehlstellen (ausgenommen Einschusslöcher) sollten mit äquivalenter Technik ergänzt und große Fehlstellen auf Rohbauniveau durch Schlämmung optisch geschlossen werden. Die Achtung vor der Originalsubstanz und der ursprünglichen Bautechnik stellte eine besondere Herausforderung für die Tragwerksplaner Gerhard Eisele und Josef Seiler dar. Die überlieferten Säulen sowie Decken aus so genannten Tontöpfen sollten erhalten bzw. in Bestandswerktechnik rekonstruiert werden, zugleich waren die Nutzlasten des Baus an heutige Anforderungen anzupassen. Mit konventionellen und atemberaubend experimentellen Untersuchungen konnte die übliche Traglast bestätigt werden.
Komplexität der Fußböden
Ergänzung oder Totalrekonstruktion in Bestandswerktechnik galt auch – ausgenommen der Nordkuppelsaal – für die Fußböden, die voraussichtlich jährlich eine Million Besucher tragen müssen. Die Beiträge von Gerda Schirrmeister, Peter van Treeck, Joana Romm oder Larissa Piepo verdeutlichten mit welcher Akribie – neben der eigentlichen Restaurierung des Erhaltenen – Quellenschriften gesichtet, Originalbefunde analysiert, äquivalente Werkstoffe gesucht und experimentell historische Techniken entwickelt wurden, um die historischen Marble-Cement-, Gipsterrazzo- oder Mosaikfußböden zu ergänzen oder zu rekonstruieren. Die Komplexität dieser Wiederentdeckung historischer Baustoffe und Wiedergewinnung alter Techniken wurden besonders am Fall des Marmorimitationsmaterials Marble-Cement, welcher im Neuen Museum für Fußböden und Gliederungselemente eingesetzt wurde, sowie am Hochbrandgips offensichtlich. Jörg Breitenfeldt und Roland Lenz berichteten anschaulich über die gestellten experimentellen und handwerklichen Herausforderungen.
Dass das Ausmaß an Ergänzung und Rekonstruktion im Fußbodenbereich eine Sonderstellung einnimmt, kristallisierte sich durch die Vorträge über die Konservierung und Restaurierung der Wand- und Deckenbereiche heraus. Kriegseinwirkung, starke Bewitterung, eingedrungenes Regenwasser und andere missliche Umstände führten zu ausgedehnten Verlusten und beklagenswerten Zuständen des Erhaltenden. Jutta Hansch-Feldmann berichtete über die Problematik der Festigung, Reinigung und Freilegung der originalen Oberflächen, Olaf Schwieger, Wanja Wedekind und Andreas Protz stellten ihre engagierten, geradezu beherzten Methoden der Salzpassivierung (MgSO4) mit In situ-Barium-Hydroxid-Methoden und der Salzreduzierung (Na2SO4 und K2SO4) mit Entsalzungspasten, -kompressen oder zyklischen Spülungen und Berieselungen vor. Nach den notwendigen Konservierungsschritten wurden die Wandflächen wohl in Abhängigkeit vom Erhaltungszustand und der ästhetischen Zielvorstellung in Bestandswerktechnik geschlossen, beispielsweise die Stucco- lustro-Flächen des Vestibüls (Georg Schmid und Günther Dürr), oder die ursprüngliche Farbigkeit mittels einer speziell entwickelten Transparenttapete wieder gewonnen – der rote Saal (Lutz Walter und Eberhard Taube) – oder mit Ergänzungsputzen, Schlämmen und Lasuren auf Bestands-, Unterputz- oder Ziegelbauniveau versehen beziehungsweise im Rohbauzustand belassen, beispielsweise der Mittelalterliche und Moderne Saal, Bernwardzimmer und Sternensaal (Jutta Hansch-Feldmann) sowie der römische Saal und Bacchussaal (Uwe de Maizière).
Konzept zur Re-Applikation von Malereifragmenten
Wie Larissa Sabottka ausführte, wurden im Rahmen der geplanten Teilrekonstruktion des Neuen Museums zu DDR-Zeiten viele Wandgemälde, Dekorationselemente, plastisches Zierrat usw. zur Bestandsdokumentation oder -sicherung abgenommen und separat aufbewahrt. Diese Fragmente galt es, restauratorisch zu behandeln und zu reintegrieren. Jeanette Koletzki stellte die Erarbeitung und Umsetzung eines restauratorischen Konzeptes zur Reapplikation von Malereifragmenten vor; beim Beispiel des Modernen Saales zeigte sich, dass die mögliche Reintegration nicht vollständig umgesetzt wurde (Reste befinden sich jetzt im so genannten Fragmentarium). Wolfgang Gärtner verdeutlichte, welche gravierenden Verluste und Schäden die Abnahme der in Stereochromie ausgeführten Wandmalerei des vaterländischen Saales zur Folge hatte. Hier sah das Restaurierungskonzept Bestandssicherung, -stabilisierung, Reinigung sowie die Bewahrung des historischen Zeugnisses durch farbliche Integration der Fehlstellen in Neutralretusche vor.
Die Ausführungen von Thomas Wieck zur Deckentapete des Mythologischen Saals waren durch die Geschichte des glücklichen Erhalts der Tapete, ihren ehemals ruinösen Zustand sowie durch ihre Restaurierung, Wiederanbringung und die wieder gewonnene Strahlkraft spannend und beeindruckend. Vorträge über die Restaurierung und Teilrekonstruktionen des Figurenfrieses von Hermann Schievelbein im Griechischen Hof (Thomas Lucker) sowie der Kunst- und Dekorationselemente aus Metall (Georg J. Haber und Jana Drost) rundeten das Bild ab und machten nochmals nicht nur auf die Achtung der Originalsubstanz, sondern auch auf die Preisung des ‚ästhetisch befriedigenden’ Fragmentes und der ‚schönen’ Patina – auch der künstlichen – aufmerksam.
Sentimentale Inszenierung historischer Bautechniken?
Es mag der enormen Komplexität des Gegenstandes, der Achtung vor den erbrachten Leistungen oder der Kollegiumsdichte geschuldet sein, dass Diskussionen kaum entstanden oder schleppend verliefen. Eher in den Pausen und vor allem bei dem gemeinsamen Rundgang durch das Neue Museum am Ende der Tagung setzte die von den Veranstaltern gewünschte kritische Auseinandersetzung ein. Bemerkungen und Fragen aus dem Auditorium oder Off- Bereich betrafen die Themen Nachhaltigkeit (Haltbarkeit, Monitoring und Pflege der aufwendig restaurierten und ergänzten Fassade, der Mosaik-, Marble-Cement- und Gipsterrazzofußböden), Ergänzungen (kein erkennbares einheitliches Konzept der Fehlstellenschießung und Retuschetechniken) und Rekonstruktion (kein erkennbares einheitliches Konzept, Alt- und Neubestand erscheint teilweise verschliffen).
Aufgrund der bemerkbaren Widersprüche, die sich zumindest für unbeteiligte, unvoreingenommene, aber auch weniger informierte Fachleute offensichtlich darboten, kann die Frage gestellt werden, ob es sich bei dem Wiederaufbau des Neuen Museums tatsächlich nur um eine ergänzende Wiederherstellung handelt, oder ob hier nicht auch eine romantisierende Zurschaustellung des Morbiden und eine sentimentale Inszenierung historischer Bautechniken konstatiert werden können, die ästhetischen Vorstellungen des Zeitgeistes folgten. Das Projekt Neues Museum bietet, obwohl es sicherlich in vielerlei Hinsicht vorbildlich genannt werden kann, Restauratoren, Denkmalpflegern sowie Kunsthistorikern zukünftig einen komplexen Gegenstand zur kritischen Reflexion.
Gratulation und Dank an die Referenten sowie an die Organisatoren der gelungenen Veranstaltung. Namentlich seien hier Sonja Cárdenas, Claudia Vollmann, Diana Walter, Olaf Schwieger, Jan Raue sowie Mechthild Noll-Minor und Thyll Feuerstein erwähnt.”
Die Publikation zum Fachkolloquium “Konservierung, Restaurierung und Ergänzung im Neuen Museum Berlin” kann im VDR-Shop bestellt werden.