Fluten, Brände und andere Katastrophen – Kulturgut ist heute mehr denn je zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Ein neuer Handlungsleitfaden des Verbandes der Restauratoren (VDR) soll Kultureinrichtungen und Eigentümern künftig helfen, geschädigtes Kulturgut zu schützen und im Katastrophenfall sachgerecht zu versorgen.
Der Leitfaden soll dabei sowohl zur Prävention als auch als Praxishilfe in der Havarie dienen. Vor allem auf eine (mobile) effektive Erstversorgung kommt es an. Der Fokus liegt daher darauf, wie die unterschiedlichsten Objekte und Materialien nach Großschadensereignissen geborgen und in Vorbereitung auf eine spätere Restaurierung stabilisiert werden können.
Ermöglicht wird die Umsetzung des Handlungsleitfadens durch eine Förderung der Kulturstiftung der Länder. Das Projekt ist im Januar 2023 gestartet und auf 19 Monate angelegt. 2024 soll der Leitfaden zunächst online und später auch als Druckwerk zugänglich gemacht werden.
Wie verheerend sich Katastrophen und Unglücksfälle auf unser Kulturgut auswirken können, hat uns die Vergangenheit mehrfach gezeigt. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs, der Brand von Notre-Dame und die Flut im Sommer 2021 sind nur einige Beispiele der letzten Jahre. Aktuell ist davon auszugehen, dass die Zahl der Extremwetterereignisse noch zunehmen wird. Umso wichtiger ist es, für die Zukunft besser vorzusorgen.
Gerade auf schnelle, konservatorisch sach- und fachgerechte Hilfe kommt es an. Vieles kann nur gerettet werden, wenn Wissen zur Bergung und Stabilisierung gebündelt und schnell abrufbar zur Verfügung steht. Dies ist bislang nur bedingt der Fall. Für zahlreiche Objekt- und Materialgruppen liegen Anleitungen zur Bergung und Erstversorgung bislang gar nicht oder nur lückenhaft vor.
Diese Lücke möchte der Verband der Restauratoren mit Hilfe seines Fachnetzwerkes schließen.
Restaurator:innen aller Spezialisierungsrichtungen werden in den kommenden Monaten den „Kulturgutrettung im Katastrophenfall“ formulieren. Dieser wird standardisierte Erstversorgungsstrukturen abbilden und auf Mindeststandards für alle Objekt- und Materialgruppen eingehen, damit bei der Ersten Hilfe von havariertem Kulturgut Folgeschäden vermieden werden.
Schnittstellen, mögliche Ansprechpartner und Unterstützer für Notsituationen sollen gelistet und notwendige Ausrüstung sowie technische Ausstattung sollen benannt werden. Das Autor:innenteam wird zudem Muster für die Dokumentation der Havarie und des geschädigten Kulturguts erarbeiten und rechtliche Rahmenbedingungen wie Haftung und Arbeitsschutz von Helfenden erläutern. Zentral für den Leitfaden werden auch Mustereinsatzpläne für beliebige Mengen geschädigten Kulturguts sein.
Vor dem Hintergrund, dass bei Großschadensereignissen unterschiedliches Kulturgut betroffen ist – angefangen bei Fotografien und Schriftgut über Schmuck und Münzen, Keramik und Gläsern bis hin zu Textilien, Gemälden, Skulpturen und Möbeln – soll der Handlungsleitfaden, erstellt vom Verband der Restauratoren, einen fachlich fundierten und nachhaltigen Beitrag zur Katastrophenhilfe und damit auch für die Wiederherstellung von kulturellem Erbe national wie international leisten. Der Leitfaden ist dabei als komplementär und unterstützend zu den bereits vorhandenen Handlungshilfen zu sehen, die vor allem die Prävention in den Fokus rücken.
Projektleiterin Nadine Thiel aus dem VDR-Präsidium ergänzt:
„Der Handlungsleitfaden wird den betroffenen Kultureinrichtungen über Präventionsmaßnahmen hinaus im akuten Katastrophenfall zielgenaue Hilfemaßnahmen bieten. Gerade für die zahlreichen kleineren Einrichtungen mit wenig Personal und meist sehr heterogenen Sammlungen ist eine Unterstützung durch Wissen zum Umgang mit den verschiedensten Materialien äußerst wichtig. Wir sind daher sehr glücklich, dass die Umsetzung eines Handlungsleitfadens durch die Förderung der Kulturstiftung der Länder ermöglicht wird.“