Als akademische Disziplin ist das Fachgebiet Restaurierung vergleichsweise jung. Erst vor 50 Jahren wurde es an den ersten Hochschulen etabliert. Wir nähern uns den Kunstwerken seitdem immer mehr mit wissenschaftlichen Methoden: es wird analysiert, gemessen und gerechnet. Entfernt man sich dadurch von den sensitiven Wurzeln des Berufs, die im künstlerischen und handwerklichen Schaffen liegen, oder gewinnt man damit? Sind Materialgefühl und akademisches Messen Gegensätze, und wenn ja, sind sie dann unvereinbar? Anhand einiger Beispiele aus der Praxis (auch der Restaurierung von Objekten aus dem Bonner Ägyptischen Museum) möchte der Vortrag, der sich an Laien wie an Fachvertreter richtet, die Bedeutung von Fühlen und Messen beleuchten und damit zum Berufsbild Restaurator beitragen. Angereichert mit Erkenntnissen aus Hirnforschung und Psychologie soll ein Bogen geschlagen werden über die Thematik der präventiven Konservierung und die Herausforderungen, die sich in jüngster Zeit bei der Erhaltung kulturellen Erbes ergeben, bis hin zur überall einziehenden Virtualisierung in Gestalt digitaler Zwillinge.

Oliver Tietze studierte in Dresden und lebt und arbeitet als freiberuflicher Restaurator in Leipzig. Mit seiner Diplomarbeit über Artefakte im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig (2000) ergab sich die Möglichkeit, sich in das spezielle Thema der Restaurierung von altägyptischen Objekten einzuarbeiten. Es folgten weitere Projekte u.a. in Leipzig, Berlin und Dresden. Seit 2013 konserviert und restauriert er in regelmäßigen Abständen ausgewählte Exponate der Bonner Sammlung, zumeist solche aus gefasstem Holz.