Mit einer Aktion und Kampagne begleitet die Künstler:innengruppe PARA die Ausstellung „Berge Versetzen“ im Grassi Museum für Völkerkunde in Leipzig. Zur Eröffnung der Ausstellung zerstörte und pulverisierte die Gruppe eine Stele, um aus dem Material Replikate des Gipfelsteines zu formen, den der Kolonialgeograf Hans Meyer 1899 bei einer Exkursion zum Kilimandscharo entfernte.
Albrecht Körber und Torsten Nimoth vom Sprecherteam der Landesgruppe Sachsen im VDR sehen diese Aktion kritisch und hinterfragen in ihrer Stellungnahme den konstruktiven Sinn dieser Zerstörungsaktion:
Zerstörung kann die Antwort nicht sein
Das Leipziger Grassimuseum auf Positionssuche gegenüber Sammlungspraktiken im Kolonialzeitalter
Deutschland besitzt eine außerordentlich reichhaltige Kulturlandschaft mit bedeutenden Einrichtungen, Stiftungen, Sammlungen und Museen. Diese Institutionen verwahren das kulturelle Erbe für die nachfolgenden Generationen und tragen somit eine hohe Verantwortung für Erhaltung und Pflege der Objekte. Der zeitgemäße Umgang mit Kunstgegenständen aus der Epoche der deutschen Kolonialzeit wurde lange Zeit vernachlässigt und bedarf einer kritischen Bewertung und sensiblen Aufarbeitung.
Restaurator:innen sind beruflich mit der Bewahrung und dem Schutz von Kunst und Kulturgut betraut. Sie versuchen, ein Artefakt in seiner Komplexität zu erfassen, ehe Maßnahmen zu dessen Konservierung und gegebenenfalls Restaurierung begonnen werden. Dazu gehören Untersuchungen zu den verwendeten Materialen und Techniken sowie zu historischen und personenbezogenen Umständen der Herstellung. Ziel ist dabei, ein Objekt so authentisch wie möglich zu bewahren, um nicht nur eine vergangene Interpretation zu beleuchten, sondern auch eine gegenwärtige oder zukünftige Bewertung offen zu halten. Für die anspruchsvolle Aufgabe der Konservierung und Restaurierung werden Fachleute an Hochschulen ausgebildet.
Im krassen Gegensatz dazu steht die Kunstaktion #BERGE VERSETZEN der Künstler:innengruppe PARA am 3. März 2022, bei der die Akteur:innen im öffentlichen Bereich des Leipziger Grassimuseums während der Eröffnung zu REINVENTING.GRASSI die Porphyrstele, auf der sich die Büste des ehemaligen Direktors Karl Weule befand, mit Presslufthämmern zerstörten.
Der Zerstörungsakt allein ist als eindimensionale Handlung Ausdruck eines stark reduzierten Diskurses über die Bewertung der Arbeit von Karl Weule und muss deswegen als ungeeignet betrachtet werden.
Die gewählte Form der aggressiven und irreversibel zerstörerischen Auseinandersetzung mit unbequem gewordenen Erbstücken aus vergangener Zeit stellt einmal mehr die Frage in den Raum: Welche Form kann unser Umgang mit dem Erbe problembeladener Sammlungspraktiken in der Kolonialzeit haben? Das ist spannend, vielschichtig und kontrovers. Aber Zerstörung kann die Antwort nicht sein.
Albrecht Körber, Torsten Nimoth vom Sprecherteam der VDR-Landesgruppe Sachsen
Weiterführende Informationen:
https://www.youtube.com/watch?v=wfr9lysee10