Nekrolog für Stuckrestaurator Manfred Siller

Manfred Siller, Stukkateurmeister und Stuckrestaurator im VDR Vielleicht der letzte große Stuckmarmor-Meister Erinnerung an einen außergewöhnlichen Kollegen (von André Glauche) „Als ich Ende der 1980er Jahre bei der Fa. Schnitzer […]
2021-05_Manfred_Siller_Kleiner_Ballsaal_Dresden_2_Foto_Andre_Glauche
2021-05_Manfred_Siller_Kleiner_Ballsaal_Dresden_Foto_Andre_Glauche_web
2021-05_Manfred_Siller_Kloster_St_Marienthal_2_Foto_Andre_Glauche
2021-05_Manfred_Siller_Kloster_St_Marienthal_1_Foto_Andre_Glauche_web

Manfred Siller, Stukkateurmeister und Stuckrestaurator im VDR

Vielleicht der letzte große Stuckmarmor-Meister

Erinnerung an einen außergewöhnlichen Kollegen (von André Glauche)
„Als ich Ende der 1980er Jahre bei der Fa. Schnitzer & Sohn in Augsburg angestellt war, begegnete ich dem Stukkateurmeister Jakob Schnitzer. Er galt im bayerischen Raum als außergewöhnlicher Meister des Stuckmarmor und hat unter anderem entscheidend am Wiederaufbau der Münchner Residenz mitgearbeitet. In den Jahren 2000-05 arbeitete ich mehrfach mit dem Stukkateurmeister Franz Schäflein aus Stadelhofen zusammen. Vor allem im Schloss Pommersfelden verbrachten wir viel Zeit miteinander. Als Spezialist für Stuckmarmor arbeitete er in ganz Deutschland und der Schweiz. Nach dem Krieg half er bei Stuckmarmorarbeiten in der Würzburger Residenz und schaffte allein 7 Jahre im Sommertriclinium im Pompejanum in Aschaffenburg. 2009 verstarb Franz Schäflein.

Jakob Schnitzer, Franz Schäflein und Manfred Siller kannten sich. So weiß ich, dass Franz bei Jakob in Süddeutschland gemeinsam Stuckmarmorarbeiten ausführte. Manfred Siller und Franz Schäflein wirkten zusammen auch in der Marmorgalerie im Schloss Hohenheim in Stuttgart und an den Stuckmarmorfußböden im Schloss Favorite in Rastatt.

Vielleicht sind an den großen Bauvorhaben nach dem Zweiten Weltkrieg die letzten großen Stuckmarmor-Meister – „die Letzten ihres Standes“ – gewachsen.

Ich begegnete Meister Siller das erste Mal 1991 bei meinem Aufenthalt im Europäischen Zentrum für Handwerker im Denkmalschutz in Venedig. Für Stuckmarmorarbeiten im Kloster St. Marienthal / Ostritz und im Kleinen Ballsaal im Residenzschloss Dresden bat ich ihn um seine Mitarbeit. So verbrachten wir viel Zeit miteinander und lernten uns gut kennen.

Meister Siller war für mich ein Kollege, der sein Wissen und seine Fähigkeiten gern vermittelte und an andere weitergegeben hat. Für uns beide war neben dem Beruflichen auch immer der Austausch über Privates sehr wichtig. Am Bauvorhaben Kloster St. Marienthal / Ostritz waren es zahlreiche Abende, an denen wir über das Leben philosophierten und so manchen Becher Wein aus seiner Heimat tranken. Meister Siller hat Kollegen und Freunde, Architekten und Bauherren, welchen er im Laufe seines Berufslebens begegnet ist, immer gern wiedergesehen oder den Kontakt zu ihnen aufrechterhalten. Im kleineren Kreise von Stuckmarmorbegeisterten bin ich mit ihm nach Schottland - auf der Suche nach dem „Schlangenstein“ - gereist und habe mit ihm auch eine Exkursion zu Stuckmarmor im Hirschberger Tal / Schlesien erlebt. Meister Siller ist über viele Jahre für mich ein Freund geworden.

Als ich in einem Schloß in Mecklenburg-Strelitz arbeitete, hatte ich ihn bei Rückfahrten im letzten Jahr in seinem neuen Haus in Wandlitz besucht. Auch bei unseren Telefonaten zu Weihnachten 2020 und Ende Januar 2021 war er vollends dem Leben zugewandt, hatte Pläne und war wie immer motiviert.

Sein schnelles und unerwartetes Ableben am 26.02.2021 hat mich tief getroffen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich gerade an Stuckmarmorflächen in der Dresdner Semperoper. Beim Blick über den Theaterplatz zur Hofkirche ist mir Manfred Sillers ganz persönliche Geschichte, die mit der Stadt Dresden eng zusammenhing, wieder sehr nahegekommen. Diese begann im noch geteilten Deutschland der 1960er Jahre in der Kreuz- und Sakramentskapelle der Dresdner Kathedrale.“

  • geboren 1936
  • nach Stukkateurlehre zahlreiche Stuckmarmorarbeiten in Baden-Württemberg bei der Fa. Schaller, Stuttgart
  • Anfang der 1960er Jahre Arbeiten als Mitarbeiter der Fa. Schaller in der (ehemaligen) Hofkirche in Dresden, Kloster St. Marienthal / Ostritz und Kloster Neuzelle
  • Lernte bei Arbeiten am Hochaltar in der Dresdner Hofkirche seine spätere Frau kennen, die dort angestellt war;
  • 1963 Geburt seines Sohnes in Dresden; bizarre Ost-Westgeschichte; Erfahrungen mit der Staatssicherheit, schließlich Ausbürgerung von Frau und Sohn nach Stuttgart
  • Trennung von Fa. Schaller, Eintritt in die Selbständigkeit
  • Stuck- und Stuckmarmorarbeiten in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Saudi-Arabien
  • ab 1987 Referent für Stuckmarmorkurse in San Servolo Venedig, bei den Compagnons du devoir in Avignon und in Paris sowie an deutschen Zentren für Handwerker im Denkmalschutz
  • 2008-10 Zusammenarbeit mit André Glauche – erneut an den Stuckmarmorwänden in der Michaeliskapelle im Kloster St. Marienthal / Ostritz
  • 2014-2016 Zusammenarbeit mit A. Glauche bei der Rekonstruktion der Stuckmarmorwände im „Kleinen Ballsaal“ des Dresdner Residenzschlosses
  • Danach: Beteiligung an Stuckmarmorarbeiten in der Oper in Berlin, Beteiligung an Stuckmarmorarbeiten der „Gelben Treppe“ in der Residenz München;
2021-05_Manfred_Siller_Scagliola_Dänemark_Foto_Andre_Glauche_web

„MANFFRED SILLER war bis ins hohe Alter praktisch tätig und als Stuckmarmor-Fachmann national und international gefragt. Am Ende seines Lebens blickte er zurück auf über 60 Jahre Berufstätigkeit mit schier grenzenloser persönlicher Begeisterung als Spezialist im Einsatz für die Erhaltung und Rekonstruktion von Stuckmarmor. Sein Wissen und Können hat er in großen Teilen zahlreichen Kollegen weitergegeben. Das tröstet über seinen Fortgang und läßt mich in großer Dankbarkeit an ihn erinnern.“

Dresden im April 2021
Bilder: Fotoarchiv A. Glauche