„Wir heißen zwar Interessengemeinschaft Bauernhaus, aber im Grunde geht es uns um viel mehr als um Bauernhäuser, nämlich um das gesamte gebaute Kulturerbe auf dem Land“, sagt Julia Ricker. Die promovierte Kunsthistorikerin führt seit einem knappen Jahr die Geschäfte der IG Bauernhaus, die es als Verein bereits seit 1973 gibt. In einem Netzwerk von rund 150 Außen- und Kontaktstellen über alle Bundesländer verteilt, können die rund 6.000 Mitglieder und andere Ratsuchende auf ein großes Fachwissen zurückgreifen.
Viele Restauratoren sind Mitglied in der Interessengemeinschaft Bauernhaus
„Neben Bauernhäusern haben wir es beispielsweise auch mit Industriebauten, Bürgerhäusern, Mühlen, Handwerkerhäusern und Scheunen zu tun“, sagt Julia Ricker. „Es geht uns aber nicht nur um die Objekte selbst und um die Erhaltung der regionaltypischen Architektur, die eine Landschaft unverwechselbar macht, sondern auch um die Gestaltung von ländlichem Raum, um das Leben auf dem Land und darum, gewachsene Ortsstrukturen attraktiv und nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir pflegen gute Verbindungen zu den jeweiligen Landesdenkmalämtern und melden uns auch in der aktuellen Baupolitik zu Wort. Wir wollen eine Lobby sein für die ländliche Baukultur und für Kulturlandschaften.“
Unter den Mitgliedern der IG Bauernhaus, das weiß Julia Ricker, sind Architekten, Restauratoren im Handwerk und auch viele Restauratoren. Oft fällt das berufliche Interesse mit dem persönlichen zusammen und so wird nicht selten ein altes Bauernhaus vor dem Abriss gerettet, um danach selbst einzuziehen. Zumal die Vereinsmitglieder eine Erstberatung anbieten, die zur Einschätzung führt, ob man es wagen kann, das alte Haus zu kaufen.
Wie man preisgünstig und nachhaltig instand setzt
Für Sylvia und Michael Hanisch hat ihr Engagement und die Liebe zu einem Bauernhaus sogar zu einer finanziellen Anerkennung durch die IG Bauernhaus geführt, denn sie haben letztes Jahr (gemeinsam mit einem anderen Paar) den vom Verein ausgeschriebenen Julius-H.-W.-Kraft-Preis gewonnen. Das Motto „Preisgünstig und nachhaltig instand setzen“ setzten die Preisträger vorbildlich um und überzeugten damit die Jury. „Die Gewinner haben den Preis bekommen, weil sie beispielhaft gezeigt haben, wie mit klugem Handeln Dinge gemacht werden, die vermutlich mit mehr Geld im Portemonnaie kaputt gemacht worden wären. So, wie Sie es gemacht haben, kommt eine Konzeption zustande, deren Umsetzung mit der Freiheit verbunden ist, nicht alles erneuern zu müssen, sondern auch einmal etwas zu belassen. Dann bleibt es eben ein bisschen alt und schief patiniert. Dieses als eigenen ästhetischen Wert zu erkennen jenseits von Modeströmungen wie „vintage“, macht den dauerhaften Wert einer echten Antiquität aus“, sagte Jurymitglied Caroline Weiss (die auch im Vorstand des VDR aktiv ist) in ihrer Laudatio.
Zwei Möbelrestauratoren sanieren vorbildlich
Sylvia und Michael Hanisch sind beide Möbelrestauratoren und kauften vor zehn Jahren ein denkmalgeschütztes, aber stark beschädigtes, Fachwerkhaus im Bergischen Nümbrecht-Niederelben. An dem rund 200 Jahre alten Wohnstallhaus hatten zuvor keine Sanierungen stattgefunden, so dass alte Hohlpfannen, Sprossenfenster und Türen, Lehmputze und Ausfachungen original erhalten geblieben waren. Statt das Haus für viel Geld zu entkernen und die Bruchsteinmauern im Keller durch Betonwände zu ersetzen, gingen die Hanischs einen anderen Sanierungsweg. Studenten von der Technischen Hochschule in Aachen erstellten ihnen kostenlos ein Handaufmaß und als Bauherren arbeiteten sie teilweise ihren Handwerkern zu und ließen sich Techniken zeigen, beispielsweise von einem Maurer, der ihnen die in Vergessenheit geratene historische Technik des Mörtelns mit Luftkalk beibrachte. Die historischen Fenster und Türen konnten sie als Möbelrestauratoren selbst aufarbeiten. Mit diesem vorbildlich sanierten Gebäude bleibt nun ein kleiner Teil bergischer Hauskultur erhalten.
Neue Ausschreibung des Julius-H.-W.-Kraft-Preises: „Gemeinsam gerettet“
Auch in diesem Jahr schreibt die Interessengemeinschaft Bauernhaus erneut den Julius-H.-W.-Kraft-Preis aus. Unter dem Motto „Gemeinsam gerettet“ werden Vereine, Initiativen und andere Gruppen, die als Gemeinschaft ein Zeugnis der ländlichen Architektur gerettet haben dazu aufgerufen, sich zu bewerben. Mit dem Motto will die IG Bauernhaus außerdem das konstruktive Miteinander würdigen: Werden mit vereinten Kräften doch Herausforderungen angenommen und bewältigt, die eine einzelne Person nicht bewerkstelligen könnte. Darüber hinaus geht es auch um die im Zusammenschluss Vieler wirkenden Multiplikatoren, wenn theoretisches und praktisches Wissen untereinander vermittelt und ausgetauscht wird und auf diese Weise lebendig bleibt.
Das Bauernhaus des Jahres 2019
Einmal im Jahr ernennt die Interessengemeinschaft außerdem einen ländlichen Haustyp zum Bauernhaus des Jahres. 2019 erhält das in der Altmühlregion beheimatete Jurahaus dieses Siegel, womit der kulturhistorische Wert dieses Haustyps hervorgehoben wird. Was die Jurahäuser so besonders macht sind ihre flach geneigten und aus mehreren Schichten dünner Kalkplatten gedeckten Dächer. In einem großen Radius von Treuchtlingen bis Kelheim bilden sie eine weltweit einzigartige wie reizvolle Hauslandschaft, die heute in ihrem Bestand gefährdet ist.
Von den geschätzten rund 3.000 Exemplaren steht maximal ein Viertel unter Denkmalschutz und viele sind dem Verfall preisgegeben. Mit der Ernennung des Bauernhaus des Jahres will die IG Bauernhaus auf die Schönheit und Schutzbedürftigkeit der vielfältigen Hauslandschaften in Deutschland aufmerksam machen, verbunden mit dem Appell für mehr Rücksicht und Sensibilität im Umgang mit der historischen Bausubstanz.