Jacob Jordaens (1593-1678) zählt zu den wichtigsten flämischen Barockmalern, obwohl seine kunsthistorische Rezeption hinter Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck lange zurückgestanden hat. Inzwischen sind die eigenständige Leistung des Malers, seine Bildthemen und Arbeitsweise jedoch recht gut aufgearbeitet worden, sowohl in Tagungen und Forschungsprojekten als auch in großen Ausstellungen. Im Herbst 2018 erschien eine umfangreiche Publikation, die sich Jordaens aus kunsttechnologischer Sicht nähert.
Die Aufsätze in diesem über 300 Seiten starken und reich bebilderten Buch mit dem Titel „Reframing Jordaens. Pictor doctus – Techniken – Werkstattpraxis“ (Inhaltsverzeichnis) beruhen überwiegend auf den beiden großen Konferenzen über Jordaens in Brüssel 2012 und Kassel 2013. Auch die Ausstellung „Jordaens und die Antike“ in Kassel und die damit verbundenen kunsttechnologischen Untersuchungen haben viel zur Aufklärung über Jordaens beigetragen.
Ein wichtiger Ort für die Jordaens-Forschung ist dabei die Gemäldegalerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel, denn sie besitzt insgesamt 13 Leinwandgemälde des Künstlers.
Christiane Ehrenforth beschäftigt sich in ihrem Aufsatz mit dem Leinwandgemälde „Das Bohnenfest“ oder auch „Der König trinkt“, das mit 243 x 373 cm das größte Jordaensgemälde der Museumslandschaft Hessen Kassel ist.
Dargestellt ist der Brauch, am Dreikönigsfest in lustiger Runde einen Kuchen zu essen, in den eine Bohne eingebacken wurde. Wer diese erwischte, dem fiel für die Dauer des Fests die Rolle des Königs zu. Auch andere Rollen wurden vergeben, wie die der Königin, des Mundschenks und die des Hofnarren und bei alldem wurde kräftig dem Alkohol zugesprochen. Das Großformat wurde von den Gemälderestauratoren der Museumslandschaft Hessen Kassel untersucht im Hinblick auf seine Entstehung, seine Restaurierungsgeschichte und auch auf seine mögliche Restaurierbarkeit.
Das Bohnenfest ist aus sieben einzelnen Leinwänden zusammengesetzt, die sich durch Qualitätsunterschiede in der künstlerischen Umsetzung voneinander absetzen. Für die gesamte Werkgenese wird ein Zeitraum von um 1635 bis in die 1650er Jahre angegeben. Die Auswertung der Infrarot- und Röntgenaufnahmen zeigt, dass das Gemälde in mehreren Einzelschritten, die sich in vier Hauptphasen einteilen lassen, entstanden ist. Dabei verwendete Jordaens für die Teilstücke 1 und 2 Leinwände, die zuvor bereits bemalt gewesen waren. Daraus entstand die Ursprungsversion des Bohnenfestes, allerdings zunächst noch mit anderem Bildinhalt – einer musikalischen Gesellschaft mit sieben Personen. Später erweiterte Jordaens das Gemälde und setzte mehrere Streifen Leinwand an und erst nach und nach entwickelt er das Bildmotiv des Bohnenfestes. In der vierten und letzten Phase wuchs das Bohnenfest zum aktuellen Format an, nachdem unten, oben und am linken Bildrand jeweils Teilstücke angesetzt worden waren, auf denen zusätzliche Figuren die dargestellte Feier bevölkern.
Das Gemälde wurde von den Restauratoren auch hinsichtlich seines Gewebeaufbaus, der Grundierungen, der verschiedenen Malschichten sowie der Firnisse und Teilüberzüge untersucht. Die Restauratoren konnten beispielsweise den zweischichtigen Grundierungsaufbau oder die Zusammenfügung von zahlreichen Gewebeteilen nicht nur als Vergrößerung sondern als Weiterentwicklung oder sogar Abwandlung des Bildmotivs festhalten.
Auch der Restaurierungsgeschichte des Gemäldes wurde nachgegangen. Mindestens sechsmal muss das Gemälde für Transporte gerollt gewesen sein, worauf etliche Schäden zurückzuführen sind. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte es eine umfangreiche Restaurierung gegeben, bei der unter anderem übermalende Retuschen aufgetragen wurden, die sich farblich verändert haben und heute störend ins Auge fallen. Die Autorin Christiane Ehrenforth kommt zum Schluss, dass der heutige Zustand des Bohnenfestes konservatorisch und ästhetisch ungenügend ist. Es stehe außer Frage, so die Autorin, dass die Malschicht dringend konserviert werden müsse. Um damit verbundene wichtige Entscheidungen treffen zu können, müssten noch weitere Untersuchungen erfolgen.
Reframing Jordaens, Herausgegeben von Justus Lange und Birgit Ulrike Münch. Unter Mitarbeit von Anne Harmssen. Imhof Verlag, 336 Seiten, Beiträge in Deutsch und Englisch, EUR 49,95, ISBN: 978-3-7319-0368-0
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