Wie in einem Bienenstock ging es zu, als sich der Verband der Restauratoren vom 8.-10. November 2018 auf der denkmal präsentierte. Ein Messestand, an dem man Restauratoren über die Schulter blicken konnte und ein reichhaltiges kostenfrei zugängliches Rahmenprogramm waren geboten. Rückblickend werfen wir Schlaglichter auf drei ereignisreiche Tage in Leipzig und die wichtigsten Ergebnisse der Mitgliederversammlung.
Der diesjährige Messestand des VDR sei der schönste und größte gewesen, den wir jemals hatten, resümierte VDR-Präsident Prof. Dr. Jan Raue am Samstag, dem 10. November. Die Landesgruppe Sachsen und zahlreiche Fach- und Interessengruppen hatten sich mächtig ins Zeug gelegt. Sie füllten die 81qm große Fläche mit fachlichem Leben, präsentierten restaurierte Artefakte, historische Werktechniken, moderne Untersuchungsmethoden und Kartierungsverfahren. Als besonderer Blickfang war eine 3,60 hohe Uhr aus dem späten 18. Jahrhundert aus dem Norden herangeschafft worden, über deren Konservierung und Restaurierung die Besucher einiges erfahren konnten. Im unmittelbaren Umfeld der Hochschulen FH Potsdam, HfBK Dresden, TH Köln und HAWK Hildesheim waren die Restauratoren als Ausführende mittig in der Messehalle platziert, umgeben von Materialherstellern und Technologiedienstleistern. Das führte zu einer bienenstockartigen Atmosphäre. Die vielen Gespräche vermengten sich zu einem nie endenden Summen, die Besucher kamen und gingen bestückt mit neuen Informationen. Angrenzende Berufsgruppen bekundeten mehrfach Interesse an der Zusammenarbeit mit den Restauratoren. Und auch beim Messebeirat kam diese Präsenz sehr gut an. Auf der Mitgliederversammlung wünschte sich die Leipziger Messe, dass der VDR 2020 wieder mit einer ähnlichen Präsenz dabei sei.
Das Wissen der Restauratoren floss auch in die öffentlichen Messe-Foren ein. Darüber, "wie angewandte wahrnehmungspsychologische Grundlagen zu einer ästhetisch gelungenen Restaurierung führen" berichtete Caroline Weiss am Donnerstag. Den Beruf des Restaurators veranschaulichte Dr. Gabriele Schwartz im Sharing-Heritage-Forum unter dem Titel "Ich bin Restauratorin. Porträt eines Berufs zwischen Forschung und Praxis" – ein Vortrag, der übrigens auch bei der Presse auf Interesse traf.
Zum weiteren Rahmenprogramm des VDR gehörten zwei kostenfrei zugängliche Tagungen:
Das Festkolloquium „50 Jahre Restaurierungsstudium“ würdigte das 1968 gegründete Studium der Restaurierung an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Stellvertretend für die ehemaligen Lehrenden blickte Prof. Dr. Ingo Sandner, der zu den Gründungslehrenden der Restaurierung in Berlin Weißensee und der Hochschule für Bildende Künste Dresden zählt, zurück auf die Anfänge der Restauratorenausbildung auf Hochschulniveau. Prof. Dr. Sabine Maier komplettierte diese Rückschau aus Sicht einer Absolventin und würdigte die Leistungen der damaligen Lehrenden. Weitere Ehemalige aus Berlin Weißensee und auch das Ehepaar Prof. Schramm waren im Publikum mit dabei. Prof. Ingo Timm, der gesundheitsbedingt nicht kommen konnte, überlieferte ein schriftliches Grußwort. Eine Podiumsdiskussion rundete dieses „Familientreffen“ ab und zog einen Vergleich zwischen damals und heute.
Die essenzielle Rolle von Restauratoren und Restauratoren im Handwerk beim Erforschen, Bewahren und Vermitteln von Europas Kulturerbe hob am Nachmittag die Tagung „Kulturerbe braucht Restauratoren“ heraus, die im Tandem von Restauratoren VDR und Restauratoren im Handwerk stattfand. In sechs Best-Practice-Beispiele verdeutlichten die Referenten, wie sich beide Berufsbilder in ihren speziellen Ausrichtungen produktiv ergänzen. Inspirierend und bereichernd empfanden die Beteiligten diese erste gemeinsam ausgerichtete Tagung, bei der beide Berufsgruppen, ihr gemeinsames Ziel - den Kulturgüterschutz - in den Mittelpunkt rückten.
Mitgliederversammlung – die wichtigsten Punkte
Die Mitgliederversammlung des VDR am letzten Messetag war mit Spannung erwartet worden, waren hier doch grundlegende Entscheidungen für die Zukunft des Verbandes zu treffen.
Dr. Christiane Schillig, die seit Juni 2018 die Geschäfte des VDR führt, stellte die Finanzsituation des Verbandes vor. Das Jahr 2017 habe, wie auf der Versammlung 2017 beschlossen, mit einem Defizit geschlossen. Dieses belief sich auf ca. 46.000 Euro und resultierte vor allem aus zwei berufspolitischen Aktivitäten: der Tagung mit Begleitpublikation FORWARD und der Druck des bundesweiten Berufsregisters, dessen Fertigstellung sich von 2016 nach 2017 verschob und das in hoher Auflage an ca. 1.700 Vergabestellen versandt worden war. Das Jahr 2018 wird voraussichtlich mit einem Defizit von ca. 131.000 Euro schließen, was an der Verstärkung von Öffentlichkeitsarbeit und insbesondere an Personalaufstockungen liegt: In der Mitgliederversammlung 2017 wurde beschlossen, dass ein berufspolitischer Sprecher eingestellt werden soll. Dies ist mit Paul Grasse ab Juni mit einer halben Stelle erfolgt, wobei auch ein sehr kostengünstiger Büroraum in Berlin angemietet und eingerichtet worden ist. Auch wurde die Stelle der Geschäftsführung von 75% auf 100% aufgestockt. Dieses strukturelle Defizit würde sich bei sich in den folgenden Jahren mit einem Minus von rund 100.000 Euro fortsetzen, wenn man den gestiegenen Anforderungen gerecht werden und mehr Leistungen für die Mitglieder anbieten möchte, sodass weiter auf die bestehenden Rücklagen zugegriffen werden muss, was drei Jahre lang möglich wäre ohne den jetzigen Fahrplan zu ändern.
Die Schatzmeisterin und Vizepräsidentin Birgit Schwahn stellte einen Antrag an die Mitgliedschaft, dass die Mitgliedsbeiträge ab dem kommenden Beitragsjahr 2019 in jeder Mitgliedskategorie um 30% erhöht werden sollten. Sie erläuterte, dass die Beiträge seit 17 Jahren nicht erhöht, sondern für Mitglieder in Ausbildung sogar zwischenzeitlich um 40 € reduziert worden seien. Im Gegensatz dazu seien die Kosten aber in nahezu allen Bereichen gestiegen. Auf der letzten Vorstandssitzung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge um mindestens 30% notwendig sei, um mittelfristig handlungs- und zahlungsfähig zu bleiben. Nach einer detailreichen Präsentation der Berechnungen stimmte die Mitgliedschaft ab. Die Anträge auf Erhöhung der Mitgliedsbeiträge und entsprechende Anpassung der Aufnahmegebühr wurde einstimmig genehmigt.
Paul Grasse, neuer berufspolitischer Referent des VDR mit Sitz in Berlin, stellte sich auf der Sitzung erstmals der Mitgliedschaft vor. Er berichtete, dass er vor seiner Tätigkeit beim VDR, die er zum 1. Juni angetreten hat, im Büro einer Bundestagsabgeordneten gearbeitet hat. Er sei in Berlin nun Ansprechpartner für Verbände, Landes- und Bundespolitik, Universitäten und Hochschulen und habe sich im zurückliegenden Jahr im breiten Feld der Berufspolitik um Fragen wie Eingruppierungen oder auch den Deutschen Qualitätsrahmen DQR im Gespräch mit der Kultusministerkonferenz (KMK) gekümmert. Er begleitet den Gerichtsprozess zwischen Ilja Streit und dem Versorgungswerk des Steinmetz- und Steinhauerhandwerks und ist ebenfalls eingebunden in die Gerichtsverfahren zur Eingruppierung in die Entgeltgruppen an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bei der über 100 Restauratoren angestellt sind. In beiden Prozessen werde die Wissenschaftlichkeit der restauratorischen Ausbildung und Tätigkeit angezweifelt, weshalb er auch den Kontakt zu den Hochschulen intensivieren möchte.
Bezüglich der vermehrten berufsrelevanten Rechtsstreitigkeiten stellten das Präsidium und ein Arbeitsausschuss des Vorstands einen Antrag auf Einrichtung einer Rechtshilfekosten-Unterstützung (RKU) für VDR-Mitglieder. Bei der Abstimmung hierüber stimmte die Mitgliedschaft mit absoluter Mehrheit ohne Gegenstimmen dafür ab, dass bis zu 5% des prognostizierten Jahresbeitragsaufkommens verwendet werden können, um VDR-Mitglieder im Falle eines berufsspezifischen Rechtsstreites, der für den Berufsstand von übergeordneter Bedeutung ist, finanziell zu unterstützen. Diese Entscheidung war wichtig, um betroffenen Kollegen noch besser Rückhalt geben zu können. Das Modell der RKU wird nun zunächst zwei Jahre lang erprobt. Danach will man Fazit ziehen, ob es so fortgesetzt werden soll.
Weitere berufspolitische Aktivitäten stellte Vizepräsident Olaf Schwieger vor. Plan sei es, das Berufsregister zu einem echten Qualitätsinstrument weiter auszubauen, indem sowohl Berufsqualifikationen als auch spezielle Kenntnisse der Restauratoren in dem Register überprüft und darin aufgenommen werden. Ein diesbezüglicher Antrag an die Mitgliedschaft wurde mit absoluter Mehrheit genehmigt.
Berufspolitisch relevant sei auch die Verkammerung von Restauratoren, zu der im Sommer ein wichtiger Schritt erfolgt sei. An der Brandenburgischen Ingenieurkammer (BBIK) ist die neue Fachsektion „Restaurierung und Denkmalpflege“ eingerichtet worden mit einem Beirat, in dem zwei Restauratoren und ein Ingenieur vertreten sind. In der Fachsektion werden Themen wie Honorare, Versicherungen und Altersvorsorge behandelt, wobei in Kürze speziell ein Versicherungsprodukt für restauratorische Fachplaner angeboten werden wird und am 16. November eine erste Tagung für Restaurierungsplanung mit rund 100 Teilnehmern stattfindet.
Darüber hinaus ist auch das Gutachten FH-Diplome ein Thema. Das Präsidium berichtet, dass dieses ein wichtiger berufspolitischer Baustein sei und bereits Einsatz fände bei Fragen der Eingruppierung genauso wie bei der Frage, ob Diplom-Restauratoren (FH) als Prüfer bei Masterarbeiten fungieren dürfen. Ebenso sei die KMK vom neuen berufspolitischen Sprecher des VDR auf das Gutachten hingewiesen worden.
Einen größeren Anteil der Versammlung nahm auch die Berichterstattung über die zurückliegenden Aktivitäten des Verbandes ein. Dabei herauszuheben sind der 1.Europäische Tag der Restaurierung (siehe Nachbericht und Website), der 2019 in die zweite Runde gehen wird und auch der Restauratoren-Nachwuchspreis der VDR-Landesgruppe Schleswig-Holstein, der erstmals am Vorabend des Tags der Restaurierung vergeben wurde. Ebenfalls stellte die VDR-Geschäftsstelle die Weiterentwicklung des VDR-Erscheinungsbildes vor, die 2017 ihren Anfang nahm und wesentlich dazu beiträgt von außen eindeutiger wahrgenommen zu werden.
Nach einer Präsentation der neuen Publikationen des VDR war auch die freie Zugänglichkeit der VDR-Fachzeitschrift „Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“ ein Thema. Durch Open Access sollen die publizierten Leistungen der VDR-Mitglieder für eine größere Öffentlichkeit leichter zugänglich gemacht werden. Dem wurde durch die Mitgliederversammlung mit absoluter Mehrheit zugestimmt, sodass die „Beiträge“ in elektronischer Form künftig zwei Jahre nach Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung stehen.
Auf Europäischer Ebene hat sich im zurückliegenden Jahr einiges getan. Für den Dachverband der Restauratorenverbände E.C.C.O., in dem der VDR Mitglied ist, berichtete die E.C.C.O.-Delegierte des VDR, Anja Romanowski, über die sehr zahlreichen Aktivitäten zugunsten der Restauratoren auf Europäischer Ebene. Dazu gehöre der Europäische Tag der Restaurierung genauso wie die Beteiligung der Restauratoren an mehreren EU-Programmen, die Herausgabe von zwei Merkblättern zur Konservierung-Restaurierung und Präventiven Konservierung durch den Europarat sowie Verhandlungen mit ICOMOS und ICCROM. Auf der denkmal selbst eilte Anja Romanowski von einem Treffen zum nächsten mit der EU-Kommission.
Dank für diese großartige Messepräsenz geht vor allem an alle Beteiligten vor Ort sowie an unsere Fördermitglieder, die den VDR unterstützten: die Leipziger Messe mit dem Projektteam denkmal und Deffner&Johann.
Auch der Mitgliedschaft sei zutiefst gedankt. Hierzu sei unser Verbandspräsident Jan Raue zitiert:
„Mehrere komplizierte Themen sind so kollegial und produktiv verhandelt worden, wie nur denkbar. Es muss so etwas wie ein neuer „Leipziger Heldenmut“ gewesen sein, der unsere MV ergriff, als wir die ganz gewiss schmerzliche Erhöhung der Mitglieds-Beiträge ohne Gegenstimme beschlossen haben. Danke für Eure Entschlossenheit, den VDR weiter erfolgreich und modern arbeiten zu lassen. Das Präsidium steht dafür ein, dass Eure Beiträge, so wie bisher, mit größter Wirtschaftlichkeit und zum besten Nutzen für unsere fachlichen und beruflichen Ziele eingesetzt werden. Getragen von dieser Stimmung lasse ich mich hinreißen, Barack Obama zu zitieren: "Friends, the best is still to come"!“
Bericht: Patricia Brozio