Jacob Jordaens (1593-1678) zählt zu den wichtigsten flämischen Barockmalern, obwohl seine kunsthistorische Rezeption hinter Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck lange zurückgestanden hat. Inzwischen sind die eigenständige Leistung des Malers, seine Bildthemen und Arbeitsweise jedoch recht gut aufgearbeitet worden, sowohl in Tagungen und Forschungsprojekten als auch in großen Ausstellungen. Frisch erschienen ist nun eine umfangreiche Publikation, die sich Jordaens aus kunsttechnologischer Sicht nähert und deshalb für Kunsthistoriker und Restauratoren gleichermaßen interessant ist. VDR-Mitglieder können das Buch zu einem reduzierten Preis bestellen.
Die Aufsätze in diesem über 300 Seiten starken und reich bebilderten Buch mit dem Titel „Reframing Jordaens. Pictor doctus – Techniken – Werkstattpraxis“ (Inhaltsverzeichnis) beruhen überwiegend auf den beiden großen Konferenzen über Jordaens in Brüssel 2012 und Kassel 2013. Auch die Ausstellung „Jordaens und die Antike“ in Kassel und die damit verbundenen kunsttechnologischen Untersuchungen haben viel zur Aufklärung über Jordaens beigetragen.
Ein wichtiger Ort für die Jordaens-Forschung ist dabei mit Sicherheit die Gemäldegalerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel, denn sie besitzt insgesamt 13 Leinwandgemälde des Künstlers. Restauratorin Anne Harmssen beschäftigt sich in ihrem Aufsatz (S. 144 ff.) mit wichtigen Themen, die bei Jordaens immer wieder auftauchen: häufige Änderungen während des Malprozesses und die gängige Praxis späterer Zeiten, Leinwände zu beschneiden oder anzustücken, um sie in passende Rahmungen bringen zu können.
In Kassel wurden im Zusammenhang mit der Ausstellung alle Jordaens-Bilder untersucht. Dazu gehörten u.a. Gesamtaufnahmen mit einer modernen digitalen Infrarotkamera sowie Röntgenaufnahmen mit einer Software-gestützten Fadenzahlanalyse. Ein Beispiel für eine komplexe Objekt- und auch Restaurierungsgeschichte ist der „Triumph des Bacchus“, der 2011 von Nadine Scheibner restauriert wurde. Das Bild besteht aus drei Leinwandteilen und wurde im 18 Jahrhundert an allen vier Ecken beschnitten, um es für eine Ausstellung in ein dekoratives Feld in Rokokoform in Kassel einzupassen. Später wurde das Gemälde restauriert, mit angestückter Leinwand wieder auf das ursprüngliche Format gebracht und malerisch ergänzt. Nun, vor der großen Jordaens-Ausstellung, standen erneut wichtige Restaurierungsentscheidungen an.
Problematisch waren nicht nur die von unteren Bildschichten durch das Alterscraquelé hervorquellenden Farben. Die Frage war, ob eine Firnisabnahme überhaupt möglich war und wie man mit den späteren Anstückungen umgehen sollte. Heute ist kaum noch nachvollziehbar, wie unbeschwert im 18. Jahrhundert maßgebliche Teile von Gemälden abgeschnitten und große Bereiche übermalt wurden, um die Bilder in eine andere Rahmung einzupassen. Bei einem Familienbildnis von Jordaens, so stellte sich bei den Untersuchungen in Kassel heraus, wurde im Laufe der Zeit aus dem Querformat ein Hochformat – und erneut ein Querformat. Im Verlauf von 300 Jahren sind fast zwei Drittel des Gemäldes mit einem Konglomerat aus diversen Übermalungen abgedeckt gewesen.
Beim „Triumph des Bacchus“ entschied man sich schließlich für eine Firnisabnahme und so ist, nachdem zwei bis drei übereinander liegende stark vergilbte Firnisschichten entfernt worden waren, die bunte Farbpalette von Jordaens wieder zu erkennen. Die späteren Ergänzungen ließ man sichtbar, um damit auch auf die interessante Objektgeschichte des Bildes hinzuweisen.
Reframing Jordaens, Herausgegeben von Justus Lange und Birgit Ulrike Münch. Unter Mitarbeit von Anne Harmssen. Imhof Verlag, 336 Seiten, Beiträge in Deutsch und Englisch, EUR 49,95, ISBN: 978-3-7319-0368-0
Die Publikation wurde u.a. vom Verband der Restauratoren (VDR) unterstützt. VDR-Mitgliedern gewähren wir im VDR-Shop einen Rabatt von 30 % auf den regulären Preis. Sie zahlen nur 34,97 Euro.
Bildnachweis: Jacques Jordaens, Triumph des Bacchus, Öl auf Leinwand, 204,5 x 152,3 cm, Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 109, Zustand nach der Restaurierung 2011; Foto: Nadine Scheibner