Am 28. Juli 2018 nahmen 20 Mitglieder der Fachgruppe Möbel und Holzobjekteim VDR an der Ausstellungseröffnung “Das Tobsdorfer Chorgestühl und seine Restaurierung“ – Siebenbürgische Chorgestühle des Meisters Johannes Reychmut aus Schäßburg im Rahmen einer FG-Exkursion an die HAWK Hildesheim teil.
Über die Ausstellung zum Tobsdorfer Chorgestühl und seine Hintergründe berichtet Dr. Christine Kühne:
Im Studiengang „Konservierung und Restaurierung von Möbeln und Holzobjekten“ der HAWK Hildesheim wurde acht Jahre lang ein Mammutprojekt bewältigt: Die Erforschung, Dokumentation, Sicherung und Wiederaufstellung eines gotischen Chorgestühls aus Tobsdorf in Siebenbürgen. In einer Wanderausstellung werden die beachtlichen Ergebnisse zunächst in Hildesheim präsentiert.
„Wir haben vielleicht einen Sponsor für die rumänischen Plakate“, schallt es in den Gängen des Studiengangs am Ende einer gelungenen Ausstellungseröffnung. Begeisterung und Engagement sind mit diesem Satz verbunden, ohne die ein Langzeit-Projekt wie dieses nicht möglich wäre. Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl, Professorin des Studiengangs, formuliert es so: „Man braucht schon eine gewisse Infektion für Siebenbürgen – und das ist ja längst passiert. Man kann auch ganz schlecht beschreiben, was da geschieht. Es gibt solche Landstriche, in die man immer wieder gern zurückkommt. Und man braucht Studierende, die am Ball bleiben. Es kommen ja jedes Jahr wieder neue, die die Berichte der anderen Studierenden hören und dann sagen: ,Wir auch! Wann fahren wir?’
Dr. Ralf Buchholz, Werkstattleiter des Studiengangs, stimmt dem zu: „Wir haben es geschafft, alle für die Sache zu begeistern.“ Der Beginn des Projekts war gleichzeitig sein persönliches Highlight: „Es war der Fund. Wir waren mit zwei Studierenden und einem Kollegen in der Kirche und wussten alle, dass hier etwas ganz Besonderes liegt. Wir fanden einen Bretterhaufen vor und waren uns sofort einig, dass wir dieses Chorgestühl retten wollen.“ Nach einer Notsicherung vor Ort wurde das zweiteilige Ensemble 2010 nach Hildesheim transportiert.
Bekämpfung des Schädlingsbefalls und Sicherung der Substanz
Ein Ziel der Maßnahmen war die Aufstellung des Chorgestühls. Denn nur dann „zeigt es sich in seiner ganzen Pracht und sichert die Wertschätzung und den Erhalt durch nachfolgende Generationen“, wie die kleine Ausstellungsbroschüre zu berichten weiß. Bei der Untersuchung stellte sich schnell heraus, dass die Holzsubstanz aller Elemente durch den Befall mit Anobien völlig zerstört worden und der Befall noch aktiv war. Daher wurde das Chorgestühl zunächst mit Stickstoff behandelt. Anschließend wurde eine Methode gesucht, mit der die Holzsubstanz gesichert werden konnte. Nach zahlreichen Versuchen wurde mit Degalan in einem Siedegrenzbenzin-/Xylol-Gemisch und über eine Einlegetränkung gefestigt. Für Prof. Maierbacher-Legl war das Besondere dabei „die Gewissheit, dass durch diese sehr extreme Maßnahme der Acrylharztränkung, die Oberfläche nicht verändert wurde. Es wirkt weder dunkel, noch plastifiziert und hat auch nicht nennenswert an Gewicht zugenommen. Das Acrylharz legte sich nach dem Aushärten und Verdunsten des Lösemittels wie ein Häutchen über die bizarren Formen und füllte die Poren nicht auf, sondern versteifte das Skelett.“
Ergänzung der Schuhe
Doch das waren erst zwei der drei großen Schritte hin zur Aufstellung, denn an den Wangen fehlten bis zu 40 Zentimeter Substanz sowie Standflächen. „Die Studierenden kamen auf die Idee mit dem Studiengang ,Holzingenieurwesen’ zusammenzuarbeiten und über einen transportablen 3D-Scanner und eine CNC-Fräse passgenaue ,Schuhe’ zu fertigen“, resümiert Ralf Buchholz die innovative Methode. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Bis auf wenige Millimeter exakte Elemente stellte die Fräse her, wie in einem Video ausführlich gezeigt wird. Sicher eine Methode, die es weiter zu verfolgen gilt und als nächstes für die Praxis kalkuliert werden sollte.
Zurück nach Mediasch, nicht nach Tobsdorf
Das Ensemble wird ab dem 4. November 2018 in der Margarethenkirche in Mediasch aufgestellt sein, gemeinsam mit der Wanderausstellung und den – dann hoffentlich gesponserten – rumänischen Plakaten. Es ist mithin 20 km von seinem ursprünglichen Ort – der Kirchenburg des Heiligen Tobias – entfernt, ein Umstand, der auch Prof. Maierbacher-Legl nachdenklich zurücklässt: „Wir haben den dringenden Wunsch, dass das rumänische Denkmalamt darüber nachdenkt, ob diese Kirche wirklich aufgegeben werden muss oder doch noch saniert und klimatisch reguliert werden kann. Wir haben uns die Situation auch dahingehend schon angeschaut und eine Idee entwickelt, wie mittelfristig eine klimatische Stabilisierung erfolgen könnte. Aber wir haben nicht die richtigen Ansprechpartner, mit denen wir das umsetzen könnten. Wir sind ja Gäste in Siebenbürgen und keine Partner der rumänischen Denkmalpflege. Aber seit kurzem gibt es die Stiftung Kirchenburgen e. V., die doch sehr effektiv und mit großem Nachdruck solche Initiativen wie unsere bündelt und die formalen Wege ebnet.“
Fazit
Beachtlich ist das Projekt unter anderem deshalb, weil es über acht Jahre währte, mehr als 70 Studierende, 23 Professor/innen, Lehrbeauftragte und Mitarbeiter/innen sowie diverse Fachdisziplinen beteiligt waren und Sponsoren finanziell unter die Arme griffen. Dennoch bleibt zukünftigen Projekten zu wünschen, dass sie noch mehr Beachtung und Resonanz in der Öffentlichkeit finden. Die Wanderausstellung in Rumänien und in Deutschland sowie die Videos sind ein kleiner Schritt in diese Richtung.
Wer sich also vom siebenbürgischen Kulturerbe infizieren lassen möchte, kann die Ausstellung in Gundelsheim, Nürnberg und eventuell Berlin ab 2019 besuchen. Die kleine und feine Broschüre ist gegen eine Schutzgebühr dort erhältlich.